Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Generals trug nun die Züge des blonden Jungen aus dem Brunnenschacht …
Nein. Das durfte er nicht zulassen. Es wäre unerträglich, jetzt umzukehren und fortan mit dem Wissen zu leben, dass er nicht alles darangesetzt hatte, den Tod des Kindes zu verhindern. So sah die Sache für ihn aus, und daran ließ sich nicht rütteln! Sosehr er sich auch wegen seiner Gefühlsduselei schalt, wurde er doch von einem völlig irrationalen Trieb, der so tief saß, dass er sich der objektiven Vernunft entzog, zu dieser Einstellung gezwungen.
Cato wandte sich an Macro: »Willst du damit sagen, dass wir umkehren sollten, Herr?«
»Klingt vernünftig. Wie seht ihr beide die Sache, Boudica? «
Die Iceni wechselten einige Worte. Prasutagus wirkte desinteressiert, und anscheinend hatte nur Boudica eine Meinung und versuchte, ihn zu einer bestimmten Entscheidung zu drängen. Schließlich gab sie aber auf und senkte verstimmt den Blick.
»Nun? Wie sieht unser Druide vor Ort die Sache?«
»Ihm ist es egal. Schließlich geht es ja um eure Leute. Es schert ihn nicht, ob sie am Leben bleiben oder sterben. Wenn ihr zulassen wollt, dass sie verbrannt werden, ist das ganz eure Sache. Er meint, das wäre eine interessante Charakterprüfung. «
»Charakterprüfung, hm?« Macro sah den Iceni-Krieger kalt an. »Im Gegensatz zu euch sind wir Römer in der Lage, schwierige Entscheidungen zu treffen. Wir stürzen uns nicht einfach aus purer Dummheit in den Tod. Schau doch, wie weit euer dämliches Heldentum euch Kelten bisher gebracht hat. Wir haben hier alles in unserer Macht Stehende getan. Jetzt können wir uns etwas ausruhen und dann bei Anbruch der Nacht den Rückmarsch zur Legion in Angriff nehmen.«
Macro schaute zu Cato hinüber. Der Optio begegnete seinem Blick mit ausdrucksloser Miene. Das irritierte Macro.
»Was ist los, Junge?«
»Herr?« Cato schien aus einer Art Trance aufzuschrecken, und Macro überlegte, dass er in den letzten Tagen wenig geschlafen hatte. Das musste der Grund sein. »Ich hatte nur gedacht …«
Macro fühlte sich wie von einem schweren Gewicht zu Boden gedrückt; wenn Cato erst einmal anfing, einem seine Gedanken auseinander zu setzen, wurde es meist so kompliziert, dass einem der Kopf schwirrte. Oft genug fragte Macro sich völlig entnervt, warum Cato sich verdammt nochmal weigerte, die Welt so einfach zu sehen wie andere Menschen auch.
»Was genau hattest du gedacht?«
»Dass du Recht hast, Herr. Am besten machen wir uns aus dem Staub, so schnell wie möglich weg von diesen Druiden. Es ist sinnlos, ein überflüssiges Risiko einzugehen.«
»Genau.«
»Der General wird deine Überlegungen gewiss verstehen, Herr. Er wird dafür sorgen, dass keiner dir den Vorwurf macht, dass es dir an … wie soll ich es ausdrücken? … an Rückgrat fehlt.«
»Dass es mir an Rückgrat fehlt?« Diese Formulierung gefiel Macro überhaupt nicht. Das klang ja, als wäre er so ein Schlappschwanz von Zivilist. Macro gehörte zu den Männern, die es überhaupt nicht mochten, wenn man ihnen auch nur andeutungsweise irgendeine Schwäche unterstellte, und so starrte er seinen Optio aufgebracht an. »Schluss mit diesem hochtrabenden Gerede, Junge. Sag einfach in verständlichen Worten, was du denkst. Du behauptest, bei unserer Rückkehr zur Legion könnte man uns Feigheit vorwerfen? Wolltest du das damit sagen?«
»Das wäre möglich. Es wäre natürlich ein Irrtum, aber nachvollziehbar. Manche Leute würden vielleicht behaupten, nur weil wir ein einziges Mal fast in die Klemme geraten wären, hätten wir schon den Schwanz eingekniffen. Aber der General würde zweifellos verstehen, wie schwierig die Lage für uns wurde, nachdem Prasutagus’ Deckmantel aufgeflogen ist. Auch wenn seine Familie nun dem sicheren Tod entgegensieht, würde er sich gewiss nach Kräften bemühen, allen klar zu machen, dass uns gar keine andere Wahl blieb. Irgenwann würde jeder es einsehen und die Sache genauso betrachten wie du.«
»Hmmm.« Macro nickte bedächtig und presste dabei die dicken Knöchel gegen die Stirn, als würde ihm das, erschöpft wie er war, beim Konzentrieren helfen. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
»Wir reiten gewiss mit wenig Gepäck, nicht wahr, Herr?«, fuhr Cato munter fort. »Am besten lade ich alles ab, was wir nicht brauchen. Alles, was uns behindern könnte, wenn wir zur Legion abhauen.«
»Keiner haut hier irgendwohin ab!«
»Tut mir Leid, Herr. Ich wollte nicht, dass es so klingt. Ich möchte einfach nur
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