Cato 03 - Der Zorn des Adlers
lernen, also übertrug er mir diese Aufgabe, und ich redete für ihn, wenn er mit Händlern verhandelte.«
»Wer war dein Lehrer?«
»Ein alter Sklave. Mein Vater hatte ihn vom Kontinent kommen lassen. Er hatte die Söhne eines Procurators in Narbonensis unterrichtet. Als sie erwachsen waren, konnte der Procurator nichts mehr mit ihm anfangen und verkaufte ihn auf dem Markt.« Boudica lächelte. »Nach seinen Jahren in einem römischen Haushalt hat ihn die Ankunft in unserem Dorf wohl ein bisschen aus der Fassung gebracht. Mein Vater sprang hart mit ihm um, und er seinerseits sprang hart mit mir um. So lernte ich Latein und Griechisch, und als mein Lehrer starb, reichten meine Kenntnisse für meines Vaters Zwecke aus. Und jetzt für deine.«
»Meine Zwecke?«
»Na ja, die Zwecke Roms. Ältere und weisere Häupter unter den Iceni sind wohl der Ansicht, dass wir uns für die Zukunft an Roms Seite am besten stehen. Also bemühen wir uns, loyale Verbündete zu sein und Rom bei den Kriegszügen gegen jene Stämme zu unterstützen, die so dumm sind, den Legionen Widerstand zu leisten.«
Cato entging nicht, dass in ihren Worten ein gewisser Groll mitschwang. Er streckte die Hand nach dem kleinen Brennholzstapel aus und legte einen weiteren Klotz auf. Das trockene Holz fing sofort knisternd Feuer, und die Flammen tauchten Boudicas Züge in ein feuriges Rot. So sah sie schön, gleichzeitig aber auch Furcht erregend aus, und Catos Herz schlug schneller. Bisher hatte er sie nie als attraktiv empfunden, da sie Macros Freundin gewesen war und er selbst sich wegen Lavinia grämte. Als er jetzt aber einen verstohlenen Blick auf die Iceni-Frau warf, überkam ihn eine unerklärliche Sehnsucht nach ihr, doch sogleich schalt er sich wegen dieser Gefühle. Wie würde Prasutagus reagieren, sobald ihm der Verdacht käme, dass Cato sich für seine zukünftige Ehefrau interessierte? Wenn aus der unangenehmen Szene damals in der Schenke in Camulodunum irgendetwas zu lernen war, dann, dass man am besten die Finger von Boudica ließ.
»Sehe ich das richtig, dass du die Politik deiner Stammesältesten nicht ganz billigst?«
»Mir ist zu Ohren gekommen, wie Rom nur zu oft mit seinen Verbündeten umspringt.« Boudica sah mit funkelnden Augen vom Feuer auf. »Meiner Meinung nach sind unsere Ältesten überfordert. Ein Vertrag mit einem Nachbarstamm oder das Verleihen von Handelsrechten an einen griechischen Händler ist etwas ganz anderes, als mit Rom um politische Fragen zu pokern.«
»Rom erweist sich seinen Verbündeten in der Regel durchaus dankbar«, widersprach Cato. »Ich glaube, Claudius würde sein Imperium gerne als eine Völkerfamilie sehen. «
»Ach, wirklich?« Boudica lächelte über seine Naivität. »Euer Kaiser ist dann wohl eine Art gütiger Vater, und ihr strammen Legionäre seid seine verwöhnten Söhne. Die Provinzen sind seine Töchter, fruchtbare Mütter, die den Wohlstand des Imperiums hervorbringen.«
Verblüfft von dieser absurden Metapher hätte Cato beinahe losgelacht.
»Begreifst du denn nicht, was es bedeutet, mit Rom verbündet zu sein?«, fuhr Boudica fort. »Ihr entmannt uns. Was meinst du wohl, wie Leute von Prasutagus’ Schlag das aufnehmen? Glaubst du wirklich, so jemand wie er schlüpft demütig in die Rolle, die der Kaiser ihm zugedacht hat? Lieber stirbt er, als dass er die Waffen aus der Hand legt und Bauer wird.«
»Dann ist er ein Dummkopf«, entgegnete Cato. »Wir bieten Ordnung und eine bessere Lebensweise.«
»Zu euren Bedingungen.«
»Andere kennen wir nicht.«
Boudica sah ihn scharf an und seufzte dann. »Cato, du hast ein gutes Herz, das sehe ich. Ich will nicht über dich herfallen, ich hinterfrage nur die Motive der Menschen, die dich lenken. Du bist gewiss klug genug, das auch selbst zu tun. Du musst doch nicht so verbohrt sein wie die meisten deiner Landsleute oder auch dein Zenturio.«
»Ich dachte, du magst ihn.«
»Ich … ich mochte ihn auch. Er ist ein guter Kerl. So durch und durch ehrlich, wie Prasutagus stolz ist. Außerdem ist er attraktiv.«
»Wirklich?« Cato war erstaunt. Er selbst hätte Macro niemals als gut aussehend bezeichnet. Damals, als er dem Zenturio in seiner Rekrutenzeit zum ersten Mal begegnete, hatte das verwitterte, zernarbte Gesicht ihm Angst eingejagt. Doch Macro hatte in seiner Geradlinigkeit und Ehrlichkeit etwas Anziehendes, das den Männern seiner Zenturie unverbrüchliche Loyalität abnötigte. Worin lag nun aber seine Anziehungskraft für
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