Cato 09 - Gladiator
zu einer bleibenden Beeinträchtigung kommen würde. Der Gladiator stand vor ihm, nackt bis auf den Lendenschurz. An seinem Oberkörper kündeten mehrere Narben von Verletzungen, die einen schwächeren Mann entweder umgebracht oder ihn dauerhaft zum Krüppel gemacht hätten. Zwar war er schon stark und durchtrainiert gewesen, als er Sklave wurde, doch nach zweijährigem Training befand er sich in hervorragender Verfassung. Während der ganzen Zeit, in der er sich um die Krieger der Leibwache seines Herrn gekümmert hatte, hatte der Parther dergleichen nicht gesehen.
Es war ein gutes Leben gewesen, überlegte er kurz, bevor er bei dem Grenzscharmützel gefangengenommen und als Familienarzt an einen reichen griechischen Kaufmann verkauft worden war. Seitdem hatte er zahllose Sklaven mit Verbrennungen und verstauchten Knöcheln und Handgelenken und die Mädchen aus dem Athener Bordell des Kaufmanns auf Geschlechtskrankheiten behandelt. Der Parther war mit seinem Herrn auf Reisen gewesen, als auf Kreta die Erde bebte. Er hatte sich vor dem Gasthof aufgehalten, in dem der Grieche und dessen Gefolge zechten, als auf einmal der Erdboden gegrollt und gerumpelt und ihn umgeworfen hatte. Als das Erdbeben vorbei war und er sich aufrichtete, war der Gasthof verschwunden, und kein Laut drang aus dem Schutthaufen hervor. Der Parther hatte die Gelegenheit genutzt und war in die Hügel geflüchtet, wo er zwei Tage lang umhergewandert und immer hungriger geworden war, bis er schließlich dem Gladiator und dessen Sklavengefolge begegnet war. Zunächst hatte er die Nahrung, die man ihm gab, freudig angenommen und beschlossen, zur Küste zu wandern und sich an Bord eines Schiffes zu schmuggeln, das nach Osten fuhr. Dann aber hatte er den Gladiator kennengelernt. Der Mann hatte etwas an sich, das ihn an seinen früheren Herrn erinnerte. Die unauslöschliche Ausstrahlung von Autorität und eine Entschlossenheit, die sich einfach nicht unterkriegen ließ. Als der Gladiator erfuhr, dass er Arzt war, bat er den Parther, bei den Sklaven zu bleiben und sie zu versorgen. Zum ersten Mal im Leben hatte er die Wahl gehabt, und als er sich noch über die ungewohnte Freiheit wunderte, über sein Schicksal selbst entscheiden zu können, hatte er bemerkt, dass der Gladiator ihn aufmerksam musterte und auf seine Antwort wartete. In diesem Moment war sein Entschluss gefallen.
In den folgenden Tagen hatte das Gefolge des Gladiators stetig Zulauf von Sklaven bekommen, die ihn baten, ihnen Gelegenheit zu geben, gegen ihre ehemaligen Herren zu kämpfen. Der Gladiator nahm sie alle auf und wählte die tüchtigsten für seine wachsende Streitmacht aus. Den Rest schickte er zu dem großen, flachen Hügel, der ihnen als Basis diente. Der Aufstieg zum Gipfel war bereits mit Erdwällen und Palisaden befestigt, und Tausende von Sklaven lebten auf dem Hügel in primitiven Unterkünften oder lagerten im Freien. Trotz der Beschwernisse und der allgegenwärtigen Angst vor römischen Soldaten und einer erneuten Gefangennahme waren sie froh und genossen jeden einzelnen Tag, den sie in Freiheit verbrachten.
Der Parther beugte sich vor und untersuchte kurz die Wunde. Drei Stiche würden reichen, um die gerissenen Muskelfasern zu verbinden. Dann würde er die Wunde mit weiteren neun bis zehn Stichen schließen. Der Parther schaute hoch.
»Das wird wehtun. Bist du bereit, Ajax?«
»Nur zu.«
Der Arzt neigte sich vor, schob die Nadel in die Wunde und zog die beiden Muskelenden zusammen. Dann drückte er das Gewebe zusammen, stieß die Nadel hindurch und vernähte es, schnitt den Faden ab und verknotete die Enden. Er schaute hoch. »Alles in Ordnung?«
Ajax nickte, den Blick starr auf die vor ihm ausgebreitete Landschaft gerichtet. Er stand auf der Felsklippe oberhalb des Hohlwegs, gebadet in warmes Morgenlicht. Die Sonne war vor einer Stunde aufgegangen, und die ersten Lichtstrahlen fielen in den Hohlweg und auf die Leichen der römischen Soldaten, die den Boden bedeckten. Auch Pferde und Hunderte toter Sklaven lagen dort, erschlagen von den in einen Hinterhalt geratenen Römern. Ajax stand der blutige Kampf noch lebhaft vor Augen. Der verzweifelte Mut seiner Männer gegen die kampferfahrenen, gepanzerten und gut bewaffneten Römer. Die letzten Gegner hatten sie erst kurz vor dem Morgengrauen gestellt und niedergemacht. Jetzt nahmen seine Männer den Toten alles ab, was sich für seine wachsende Streitmacht als nützlich erweisen mochte. Bislang hatten sie nur ein
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