Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
»diesmal bist du mir wieder über, und hoffentlich«, sagte er, »find'st du auf Baß alles so, wie du dir's gewünscht hast.« Und das hat man später für 'ne recht merkwürdige Redensart gehalten. Endlich war die Zeit gekommen, in der Tom die jungen Lummen aus den Nestern holen mußte. Das war ein Geschäft, das er gewohnt war, denn er war von klein auf auf den Klippen zu Hause und vertraute dergleichen Arbeit niemandem als sich selber an. Eines Tages baumelt er also an einem Tau an der Klippenfront, wo sie am höchsten und steilsten ist. Vier kräftige Burschen hielten oben auf der Kuppe den Strick und warteten auf Toms Zeichen. Aber wo Tom hing, war nichts als die schiere Klippe und weit in der Tiefe das Meer und die schreienden, fliegenden Lummen. Es war ein schöner Frühlingsmorgen, und Tom pfiff vor sich hin, während er die jungen Vögel fing. Oft hab' ich ihn davon erzählen hören, und jedesmal brach ihm der Schweiß aus. Zufällig, müßt Ihr wissen, blickte Tom auf und bemerkte eine große Lumme, und die Lumme hackte nach dem Tau. Er fand das merkwürdig und gar nicht nach der Kreatur Gewohnheit. Er erinnerte sich, Stricke seien unheimlich mürbes Zeug und der Lummen Schnabel sowie der Felsen unheimlich hart, und ein Sturz von zweihundert Fuß war etwas mehr, als ihm zu fallen behagte. »Husch!« sagte Tom. »Fort mit dir, Vieh! Husch! Mach, daß du fortkommst!« Die Lumme starrte Tom so von oben ins Gesicht, und an des Tieres Auge war etwas nicht ganz geheuer. Es starrte ihn nur das einzige Mal an und fiel dann wieder über das Seil her. Und jetzt riß und zerrte es daran wie nicht recht gescheit. Niemals hat es eine Lumme gegeben, die wie jene Lumme sich mühte, und sie schien auch ihr Geschäft vortrefflich zu verstehen, denn sie rieb das weiche Tau immer zwischen ihrem Schnabel und dem spitzen Fels. Kalte Furcht schoß Tom ins Herz. »Das Ding da ist kein Vogel«, dachte er. Da drehten sich ihm die Augen im Kopfe herum und um ihn wurde es finster. »Wenn ich hier ohnmächtig werde,« dachte er, »ist es aus mit Tom Dale!« Und er gab den Burschen ein Zeichen, daß sie ihn hoch ziehen möchten.
    Aber die Lumme schien das Zeichen zu verstehen. Kaum hatte Tom es gegeben, da ließ sie den Strick los, krächzte laut auf, flatterte hin und her und schoß schnurstracks auf Tom Dales Augen los. Tom hatte ein Messer, und er ließ den kalten Stahl funkeln. Doch die Lumme schien auch über Messer Bescheid zu wissen; denn als die Klinge in der Sonne glitzerte, stieß sie einen einzigen Schrei aus, aber leiser, wie jemand, der enttäuscht ist, und verschwand um die Klippe herum, und Tom sah sie nie wieder. Und sowie das Ding fort war, sank Toms Kopf auf seine Schulter, und sie zogen ihn wie einen Toten herauf, und da lag er, wie 'n Toter, der Länge nach auf dem Felsen. Ein Gläschen Schnaps, den er stets bei sich hatte, brachte ihn wieder zur Vernunft, wenigstens zu dem, was noch davon übrig war. Er setzte sich aufrecht. »Lauf, Geordie, lauf nach dem Boot und bewache es, Mann – lauf!« schrie er. »Sonst geht die Lumme mit ihm durch.« Die vier Burschen starrten einander an und versuchten, ihm gut zuzureden und ihn zu beruhigen. Aber Tom Dale gab sich nicht zufrieden, bis einer von ihnen vorangegangen war, um neben dem Boot Posten zu stehen. Die anderen fragten Tom, ob sie ihn wieder 'runterlassen sollten. »Nein,« sagte er, »weder ich noch einer von Euch geht mir da 'runter, und sowie ich wieder auf meinen Beinen stehen kann, wollen wir sehen, daß wir von diesem Teufelsfelsen fortkommen.«
    Tatsächlich verloren sie keine Zeit, und auch so blieben sie zu lange dort, denn bevor sie North Berwick erreichten, lag Tom in schwerem Fieber. Den ganzen Sommer lag er zu Bett; und wer war so freundlich, ihn immer wieder zu besuchen? Wer anders als Tod Lapraik! Die Leute meinten später, jedesmal, wenn Tod in die Nähe des Hauses kam, wäre das Fieber schlimmer geworden. Ich weiß nicht, ob das stimmt; aber ich weiß, daß es damit bald ein Ende hatte. Es war etwa um diese Jahreszeit; mein Großvater war draußen beim Schellfischfang, und Bub, der ich war, hatte ich ihn begleitet. Ich erinnere mich, wir hatten einen großartigen Fang, und so, wie die Fische lagen, mußten wir bis hart an den Felsen von Baß heran, wo wir einem zweiten Boote begegneten, das einem gewissen Sandie Fletcher aus Castleton gehörte. Er ist noch gar nicht lang gestorben, sonst könntet Ihr Euch bei ihm selber erkundigen. Nun, Sandie

Weitere Kostenlose Bücher