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Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zielte sehr sorgfältig und drückte ab. Der Schuß krachte, und von der Insel kam ein jämmerlicher Schrei. Und wir saßen da und rieben uns die Augen und starrten uns an wie Menschen, die den Verstand verloren haben. Denn mit dem Krach und dem Schrei war das Ding vom Erdboden verschwunden. Die Sonne schien, und der Wind blies, aber da war der leere Platz, wo das Wunder noch vor einer Sekunde gehüpft und gesprungen war. Den ganzen Rückweg schrie und brüllte ich vor Schreck über diesen Richtspruch des Himmels. Den Erwachsenen ging es auch nicht viel besser; in Sandies Boot kam wenig über unsere Lippen, außer dem Namen Gottes, und als wir die Mole erreichten, war der ganze Landungsplatz schwarz von Menschen, die auf uns warteten. Es scheint, sie hatten Lapraik in einer seiner Ohnmachten gefunden, wie er das Schiffchen führte und vor sich hinlächelte, und hatten einen Burschen geschickt, um die Flagge zu hissen, während sie alle in des Webers Haus blieben. Ihr könnt Euch denken, daß ihnen dabei nicht wohl zumute war, aber manchen von denen, die dort leise beteten (denn keiner hatte Lust, es laut zu tun) und dabei das schreckliche Etwas, das das Schiffchen führte, vor Augen hatten, wurde es ein Mittel zur Bekehrung. Da, plötzlich, sprang Tod mit einem fürchterlichen Schrei von seinem Sitz auf und fiel als blutige Leiche auf das Gewirk. Als die Leiche untersucht wurde, sah man, die Bleikugeln waren von des Zauberers Körper abgeprallt; man fand auch nicht einen Tropfen Blei, aber meines Großvaters silbernes Sixpencestück stak tief in seinem falschen Herzen.« Andie hatte kaum geendet, da ereignete sich ein äußerst törichter Vorfall, der seine Folgen hatte. Neil war, wie gesagt, selbst ein großer Geschichtenerzähler. Später erfuhr ich, er wisse sämtliche Sagen des Hochlandes, und er selbst und auch andere seien nicht wenig stolz darauf. Jetzt erinnerte ihn Andies Geschichte an eine, die er kannte. »Ich haben die Geschichte schon mal gehört«, sagte er »Sie war die Geschichte von Uistean More M'Gillie Phadrig und dem Gavar Vore.«»Den Teufel war es das«, rief Andie. »Es ist die Geschichte meines Vaters (Gott hab ihn selig) und Tod Lapraiks. Das behaupte ich Euch glatt ins Gesicht,« setzte er hinzu, »und haltet in Zukunft Euer loses Hochlandsmaul.« Der Umgang mit Hochländern ist, wie man ersehen wird, und wie auch die Geschichte beweist, für Tiefländer von Rang sehr leicht, für die Plebs aus dem Flachland dagegen fast unmöglich. Es war mir längst aufgefallen, daß Andie mit unseren drei McGregors ständig auf Kriegsfuß lebte, und jetzt kam es tatsächlich zu einem offenen Streit. »Das sind keine Worte nicht zu Shentlemans«, brach Neil los. »Shentlemans!« schrie Andie. »Shentlemans, du hochländischer Ochs! Wenn Gott dir die Gnade schenkte, dich einmal selbst zu sehen, wie andere dich sehen – du kämst herunter von deinem Roß!«
    Neil entfuhr eine Art gälischer Fluch; im selben Augenblick blitzte das schwarze Messer in seiner Hand. Zeit zum Denken gab es nicht; ich packte den Hochländer am Bein und hatte ihn hingeworfen und die ausgestreckte Hand mit der Waffe am Boden festgenagelt, ehe ich noch wußte, was ich tat. Seine Kameraden sprangen ihm zu Hilfe, Andie und ich waren ohne Waffen und zwei Mann gegen drei. Wir schienen rettungslos verloren, als Neil in seiner Muttersprache aufschrie und den anderen befahl, abzulassen, worauf er in der demütigsten, hündischsten Art mir seine Unterwerfung anbot und mir sogar sein Messer aushändigte, das ich ihm jedoch nach einer Wiederholung seines Versprechens am nächsten Tage zurückgab. Zwei Dinge gingen aus alledem klar hervor: erstens, daß ich nicht allzu fest auf Andie bauen durfte, der sich, bleich wie der Tod, gegen die Wand gekauert hatte, bis der Handel vorüber war; zweitens, daß ich mich den Hochländern gegenüber, die strenge Weisung haben mußten, mein Leben zu schonen, in einer sehr starken Position befand. Allein obwohl ich nicht viel von Andies Mut zu halten vermochte, konnte ich mich über Mangel an Dankbarkeit nicht beklagen. Er verfolgte mich weniger mit Dankesbezeigungen, als daß seine ganze Stellungnahme zu mir, innerlich wie äußerlich, anders schien, und da er von nun an große Scheu vor seinen Gefährten hatte, waren er und ich mehr denn je aufeinander angewiesen.
     

Der fehlende Zeuge
     
    Am 16., dem Tage meines Stelldicheins mit dem Anwalt, haderte ich heftig mit dem Schicksal. Der Gedanke, wie er in

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