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Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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den »King's Arms« vergeblich auf mich wartete, und was er wohl von mir dächte, und was er sagen würde, wenn wir uns wiedersahen, quälte und drückte mich. Die Wahrheit war unglaubhaft, das mußte ich zugeben, und es schien grausam hart, als Lügner und Feigling dastehen zu müssen, ohne daß ich es je bewußt an dem, was in meiner Macht stand, hatte fehlen lassen. Diese Formel wiederholte ich mir immer wieder mit einer Art bitterem Gusto und prüfte noch einmal in jenem Licht die einzelnen Schritte meines Verhaltens. Mir schien, ich hatte mich James Stuart gegenüber wie ein Bruder benommen; die ganze Vergangenheit bot ein Bild, auf das ich stolz sein konnte; also galt es nur noch, mich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen. Ich konnte zwar weder das Meer durchschwimmen noch die Luft durchfliegen, aber da war ja noch Andie. Ich hatte ihm einen Dienst erwiesen, er hatte mich gern; hier war ein Hebel, den ich ansetzen konnte; der schiere Anstand gebot, daß ich es noch einmal mit Andie versuchte. Es war spät am Nachmittag. Totenstille herrschte auf Baß, unterbrochen nur von dem Plätschern und Gurgeln einer sehr ruhigen See, und meine vier Gefährten hatten sich alle zurückgezogen, die drei McGregors den Abhang hinauf, Andie mit seiner Bibel an einen sonnigen Platz unter den Ruinen. Dort fand ich ihn fest eingeschlafen und brachte meine Bitte, sowie er wach war, mit ziemlicher Inbrunst und eindringlicher Logik vor.
    »Wüßte ich nur, ob es für Euch gut ist, Shaw!« bemerkte er und starrte mich über seine Brillengläser an. »Es geschieht, um einen anderen zu retten,« entgegnete ich, »und um mein Wort einzulösen. Gibt es etwas Besseres? Habt Ihr die Heilige Schrift vergessen, Andie, und haltet doch die Bibel auf dem Schoß? Was hülfe es ihm, wenn er die ganze Welt gewönne!« »Ja,« sagte er, »für Euch ist das recht schön und gut. Aber wo bleibe ich derweil? Ich hab genau wie Ihr mein Wort einzulösen. Und was verlangt Ihr anders, als daß ich's Euch gegen Geld verkaufe?«
    »Andie! Habe ich das Wort Geld gebraucht?« rief ich. »Bah! Das Wort hat nichts zu sagen,« erwiderte er, »das Zeugs steckt doch dahinter. Ich will Euch sagen, worauf es hinauskommt: erweis ich Euch den Dienst, den Ihr verlangt, so verlier ich meine Stellung. 'S ist klar, daß Ihr in dem Fall für mich aufkommen müßt und mir, so um der Ehre willen, noch was draufzahlen werdet. Und ist das etwa keine Bestechung? Und wenn mir die wenigstens sicher wäre! Aber soviel ich weiß, ist sie das durchaus nicht. Wenn Ihr nun hängen müßt, was wird dann aus mir? Nein! die Sache ist unmöglich. Also seid ein guter Junge und laßt Andie in Ruhe sein Kapitel lesen.«
    Ich weiß, im Grunde meines Herzens war ich von diesem Ergebnis sehr befriedigt; die Folge war, daß ich in eine Stimmung – fast hätte ich gesagt – von Dankbarkeit verfiel, Dankbarkeit gegen Prestongrange, der mich auf diese gewaltsame, ungesetzliche Art aus all meinen Gefahren, Versuchungen und Verwicklungen herausgerissen hatte. Aber diese Selbstlüge war allzu feige und fadenscheinig, um zu dauern, und die Erinnerung an James begann von neuem von mir Besitz zu ergreifen. Den 21., den Tag, der für die Verhandlung angesetzt war, verbrachte ich in solcher Seelenqual, wie ich sie, meines Wissens nach nur noch auf der Insel Earraid erduldet habe. Die meiste Zeit lag ich in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachen irgendwo auf einem Hügel ausgestreckt, äußerlich regungslos, innerlich von aufrührerischen Gedanken zerrissen. Mitunter schlief ich tatsächlich ein; aber der Gerichtssaal von Inverary und der Gefangene, der sich in allen Winkeln nach seinem fehlenden Zeugen umschaute, verfolgten mich bis in meine Träume; und ich fuhr aus dem Schlafe auf, mein Körper wie zerschlagen, meine Seele von Verzweiflung umnachtet. Ich glaubte zu bemerken, daß Andie mich beobachtete, aber ich achtete wenig darauf. Wahrlich, mein Brot schmeckte bitter und meine Tage wurden mir zur Last. Früh am folgenden Morgen, Freitag, den 22., kam ein Boot mit Proviant zu uns herüber, und Andie legte ein versiegeltes Päckchen in meine Hände. Der Umschlag war ohne Adresse, aber mit einem amtlichen Siegel verschlossen. Er enthielt zwei Billette. »Mr. Balfour wird jetzt von sich aus erkannt haben, daß es zu spät ist, sich einzumischen. Sein Betragen wird beachtet und seine Diskretion belohnt werden.« Das war der Inhalt des ersten Zettels, der mühsam mit der linken Hand geschrieben war.

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