Caylebs Plan - 6
zum Prinzen von Corisande zu erheben.«
»Das schon. Aber was wollen Sie: Diesem gerade eben beschlussfähigen Rat eine wichtige Entscheidung anvertrauen? Würden Sie einem einzigen von den Kerlen auch nur einen altersschwachen Last-Drachen anvertrauen? Die, die ihn nicht einfach stehlen oder weiterverkaufen würden, würden das arme Vieh doch einfach verhungern lassen!«
»Und das schönt noch, zu was die fähig wären. Nein, wirklich, ich würde niemanden von denen auch nur einen einzigen altersschwachen Last-Drachen anvertrauen!«
»Also sind wir uns einig?«
Drückendes Schweigen folgte Tartarians Frage. Er konnte Anvil Rocks erschöpfter Miene deutlich ansehen, wie der General mit sich rang. Es fiel Tartarian leicht, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Er konnte jedes widerstreitende Gefühl nachempfinden: den innigen Wunsch, diese Verantwortung nicht tragen zu müssen; die Schmach, eine militärische Niederlage eingestehen zu müssen; der bittere Zorn angesichts des Attentats und der immer noch schwärende Verdacht - was auch immer die Logik zu diesem Thema sagen mochte -, Cayleb Ahrmahk sei der Drahtzieher; das Wissen, sie beide würden, egal, was sie entschieden, von anderen dafür geschmäht werden - von Feind wie Freund gleichermaßen, beiden gemeinsam nur, dass auf ihnen nicht die Bürde der Entscheidung lastete, ganz zu schweigen von all jenen, deren Hoffnung auf erstarkte eigene Macht zerschlagen würde. Eines aber hatte Tartarian vor allem umgetrieben und würde auch Anvil Rock beschäftigen: die Erkenntnis nämlich, der ›Vierer-Gruppe‹ würde es gänzlich egal sein, dass sie keine andere Wahl hatten, als mit den Schismatikern von Charis in Verhandlungen zu treten. Wenn das kein Grund war, sich vor dieser Entscheidung zu drücken ...
»Ja«, antwortete Sir Rysel Gahrvai, seines Zeichens Graf Anvil Rock, schließlich mit schwerer Stimme auf die Frage, »wir sind uns einig.«
.II.
Kaiser Caylebs Kommandozelt,
Feldlager-Hauptquartier,
Herzogtum Manchyr, Corisande-Bund
Cayleb Ahrmahk erhob sich, als die beiden Besucher in Begleitung einer Eskorte sein Kommandozelt betraten.
»Graf Anvil Rock und Graf Tartarian, Euer Majestät«, verkündete Lieutenant Ahstyn. Die beiden Corisandianer verneigten sich steif, und Cayleb erwiderte die Höflichkeitsgeste seinerseits mit einer angedeuteten Verbeugung.
»Meine Lords.« Der Kaiser deutete ein freundliches Lächeln an. Er wies mit einer Hand beiläufig auf den anderen Mann, der sich soeben vom Tisch erhoben hatte. »Ich glaube, Sie beide kennen General Gahrvai.«
»Vater«, begrüßte Sir Koryn Anvil Rock. Dann verneigte er sich vor Tartarian: »Mein Lord.« Vater und Sohn gaben sich die Hand.
»Es ist gut, dich zu sehen, Koryn«, sagte Anvil Rock. »Auch wenn ich«, sein eigenes Lächeln hätte selbst hier im heißen Manchyr Wasser gefrieren lassen können, »mir wünschen würde, es geschähe unter anderen Umständen.«
Der jüngere Gahrvai hielt die Hand seines Vaters immer noch fest und nickte. Dann räusperte sich Cayleb leise, und alle drei Corisandianer wandten sich ihm zu.
»Meine Lords«, sagte er, »ich bin mir sicher, wir alle wünschen uns, einander unter angenehmeren Umständen zu begegnen. Bedauerlicherweise ist dem nicht so. Dennoch hat ein Gastgeber gewisse Pflichten. Bitte nehmen Sie Platz und gestatten Sie mir, Ihnen Erfrischungen anzubieten!«
Die Corisandianer setzten sich in die für sie bereitgestellten Stühle. Cayleb nickte dem hochgewachsenen Gardisten mit den auffallend blauen Augen zu, der hinter seinem eigenen Stuhl stand. Kurz nahm Captain Athrawes Haltung an, dann schenkte er persönlich Brandy in vier Gläser ein. Das Erste bot er Cayleb an, doch der Kaiser schüttelte den Kopf und deutete auf Anvil Rock, den ältesten seiner Gäste. Der Graf nahm das Glas entgegen, nippte höflich daran und nickte beifällig. Merlin reichte auch den beiden anderen Corisandianern jeweils ein Glas, bevor er das letzte schließlich vor Cayleb stellte.
»Mir ist bewusst«, griff der Kaiser seinen Gedankengang wieder auf, »dass die Regeln der Höflichkeit Ihnen jetzt abverlangen, mir ein Kompliment hinsichtlich der Qualität des angebotenen Brandys zu machen, auf das ich natürlich mit angemessener Bescheidenheit reagieren muss. Dann ergehen wir vier uns zunächst einmal in ein zwangloses Gespräch über die einzelnen Vorzüge der jeweiligen Anbaugebiete unserer Länder, die Möglichkeiten zur Jagd zu gehen sowie das
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