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Caylebs Plan - 6

Titel: Caylebs Plan - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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fort, »auch wenn es mich ernstlich überraschen würde, wenn sie nicht bereits von sich aus daran gedacht hätte. Sie gehört gewiss nicht zu den Leuten, die übermäßig früh von Bord eines sinkenden Schiffes flüchten würden. Aber sie gehört definitiv zu denjenigen, die sich schon lange vorher eine Fluchtmöglichkeit zurecht legen - und dafür möge Gott sie segnen!«
    »Amen«, stimmte Hauwerd seinem Bruder mit einem schiefen Grinsen zu.
    »Und«, ergriff Samyl noch einmal das Wort und blickte seinem Gegenüber erneut tief in die Augen, »ich werde ihr einen weiteren Brief schicken. Der ist dann für Paityr ... nur für alle Fälle.«

.IV.
 
Königlicher Palast, Stadt Talkyra,
Königreich Delferahk
 
    Die kühle Brise, die vom Erdan-See hereinkam, spielte in Irys Daikyns Haar wie winzige Finger. Der Abend senkte sich über den gewaltigen See, und Irys genoss den vertrauten Anblick der Wellen. So schön dieser See sein mochte, er war nun einmal nicht die Manchyr Bay. Irys vermisste das Rauschen der Brandung, den Duft des Salzwassers, den Geruch des Schlicks bei Ebbe, das Gefühl miterleben zu können, wie Land und Meer auf dem dicht gepackten Sand der Flutmarke miteinander rangen, und den weicheren, lockereren Sand der Dünen.
    Und sie vermisste ihren Vater.
    Sie stand auf dem zinnengekrönten Wall des Palastes König Zhames' II., hoch oben in den felsigen Hügeln oberhalb der Stadt Talkyra. Der Palast war zugleich wuchtiger und älter als der ihres Vaters in Manchyr. So groß Delferahk auch war, das Königreich war nie so wohlhabend geworden wie Corisande, und Zhames' Familie musste sich deutlich mehr auf die Politik der harten Hand verlassen, um Autorität zu beweisen. Die hin und wieder aufwallenden Unruhen, die eine derartige Politik mit sich brachten, hatten es erforderlich gemacht, den Palast nach wie vor als Burg anzulegen - eine Festung, die sich notfalls auch verteidigen ließe. Sowohl der König selbst als auch Königin Hailyn hatten Irys versichert, derartige Zeiten seien längst vorbei.
    Aber das habe ich bei Vater auch gedacht, ging es ihr durch den Kopf, und sie wischte sich zornig eine Träne aus dem Augenwinkel. ›Lass niemals zu, dass sie dich weinen sehen.‹ Ich kann mich noch genau erinnern, wie du das zu mir gesagt hast, Vater. Ich erinnere mich an alles.
    Sie legte die Hand auf den harten, verwitterten Stein der Zinnen und ballte die Hand zur Faust, bis die Knöchel weiß hervortraten. Nun, im Nachhinein, fragte sich Irys, ob ihr Vater wohl irgendwie gewusst hatte, was kommen würde. Ob das der wahre Grund dafür war, dass er Daivyn und sie aus Corisande fortgeschickt hatte. Sie hoffte, es sei nicht so. Sie hoffte, er sei auch bei dem letzten Gespräch, das sie jemals miteinander geführt hatten, ihr gegenüber aufrichtig gewesen. Doch welche Beweggründe für sein Handeln er auch gehabt hatte, er hatte sie, seine Tochter, fortgeschickt. Eines Tages würden Cayleb und Sharleyan von Charis herausfinden, was das für sie bedeutete!
    Irys starrte in die Abenddämmerung hinaus, und die Augen, die sie von ihrer verstorbenen Mutter geerbt hatte, waren hart. Nicht einmal der Wind brachte diese Augen zum Tränen.
    Sie konnte sich glücklich schätzen, Phylyp zu haben. Das wusste sie, auch wenn es Augenblicke gab, in denen sie ihn am liebsten angeschrien hätte. Er ist schon viel zu lange der Leiter der Spionageabteilung gewesen, dachte sie. Er hat längst vergessen, anders zu denken als so kalt und analytisch wie ein Schachspieler. Dass er darauf beharrte, sich zumindest der Vorstellung nicht gänzlich zu verschließen, jemand anderes als Cayleb könne den Befehl erteilt haben, war vermutlich für einen Spion durchaus angemessen. Doch Irys zweifelte keinen Moment. Es gab keinen Zweifel, wer dafür verantwortlich war ... und wer letztendlich dafür würde zahlen müssen.
    In der Zwischenzeit würde sie Phylyps taktischen Rat befolgen. Er hatte Recht: Sie beide mussten irgendwie verhindern, dass Daivyn der Kirche in die Hände fiele. Mit Inbrunst hatte die ›Vierer-Gruppe‹ verkündet, ihn als den rechtmäßigen Regenten von Corisande anzuerkennen. Aber was hieß das schon? Daivyn war nur ein kleiner Junge. Jemand wie Clyntahn würde ihn nach Strich und Faden verbiegen und ihn so beiläufig zerstören, als zerquetsche er eine Fliege, wenn es seinen eigenen Zielen dienlich wäre. Irys gab sich in dieser Hinsicht keinerlei Illusionen hin; ebenso wenig wie sie sich Illusionen darüber hingab,

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