Caylebs Plan - 6
dürften. Auseinandersetzungen der Vergangenheit spielten dann sicher keine Rolle mehr, egal, wie heftig sie auch gewesen sein mochten. Bis Sharleyan schließlich tatsächlich nach Chisholm zurückkehrte, würden seine neu gewonnenen Verbündeten und er die Lage bereits fest im Griff haben. Sharleyan bliebe nur feststellen, dass man sie - sehr diskret - unter einen gemütlichen, äußerst sicheren Hausarrest gestellt hätte, während Halbrook Hollow ›ihre‹ neue Politik in die Tat umsetzte.
Während der Herzog fest an seinen Plan glaubte, hatte Halcom, wie er Shumay gegenüber dargelegt hatte, mehr als nur Bedenken: Der Plan konnte nicht funktionieren - zumindest nicht langfristig. Deswegen hatte er sich einen eigenen Plan zurechtgelegt. So verärgert der Bischof auch über das unerwartete Eintreffen Halbrook Hollows war, nach reiflicher Überlegung wähnte er doch hinter dem törichten Entschluss des Herzogs Gottes Hand. Bislang war bei dem, was sie hier tatsächlich planten, durchaus zweifelhaft, ob Gott, der Herr, das tatsächlich würde gutheißen können. Jetzt hingegen ...
»Ich verstehe, was Sie meinen, Euer Durchlaucht«, sagte Halcom in bedauerndem Tonfall, als gerade Mytrahn Daivys, einer der Gruppenführer der Tempelgetreuen, durch die Küchentür hinter Halbrook Hollows Rücken trat. »Und unter den gegebenen Umständen ist es vielleicht doch gar nicht so schlimm, dass Sie hierhergekommen sind.«
»Es beruhigt mich, dass Ihr das auch so seht«, erwiderte Halbrook Hollow. »Jetzt ist es, wie ich schon sagte, natürlich sehr wichtig, dass Sharleyan niemals von meiner Anwesenheit hier erfährt. Deswegen ...«
Seine Stimme erstarb in einem entsetzlichen Gurgeln, als Daivys ihn in einer einzigen fließenden Bewegung am Haarschopf packte, seinen Kopf zurückriss und ihm dann die Kehle durchschnitt.
Als das Blut quer über die Tischplatte spritzte, stieß sich Halcom mit angewiderter Miene vom Tisch ab. Einige Blutspritzer trafen seinen Kasack, und der Gesichtsausdruck des Bischofs wurde noch finsterer. Instinktiv versuchte Halcom die Flecken fortzuwischen. Doch die ganze Zeit über hing sein Blick an Halbrook Hollows Gesicht: Da riss der Herzog in gänzlich überraschtem Entsetzen die Augen weit auf. Keinen Lidschlag später verlor sein Gesicht für alle Zeiten jeglichen Ausdruck.
»Es tut mir Leid, Euer Durchlaucht«, sagte Halcom leise und streckte quer über den Tisch die Hand aus, um die Augen des Toten zu schließen. »Aber ich denke wirklich, so ist es am besten.«
Er holte tief Luft, bekämpfte den Würgereiz, als der metallische Geruch vergossenen Blutes und der Gestank frischer Exkremente die ganze Küche erfüllte. Schließlich blickte er Daivys an.
»Ich bedauere sehr, dass wir das tun mussten, Mytrahn. Er mag ein Narr gewesen sein, und wir alle wissen, dass er ein vom politischen Ehrgeiz Getriebener war. Aber zugleich war er eben auch ein Sohn von Mutter Kirche.«
Daivys nickte, wischte die Klinge seines Dolches am Kasack des Herzogs ab und wölbte dann fragend eine Augenbraue.
»Was sollen wir mit der Leiche tun, Mein Lord?«, fragte er pragmatisch.
»Darüber müssen wir uns noch Gedanken machen«, gestand Halcom. »Ich neige dazu anzunehmen, es wäre wohl das Beste, ihn einfach verschwinden zu lassen - dann ist er eben einfach auch diesen charisianischen Attentätern zum Opfer gefallen. Es hängt ganz davon ab, wie gut das Alibi ist, das Meister Kairee für ihn bereithält, und was genau der Herzog den Leuten in Tellesberg hinsichtlich seiner Pläne erzählt hat. Zunächst einmal legen Sie ihn bitte einfach zu seinen Leibwachen!«
.XIV.
Kloster Sankt Agtha, Grafschaft Crest Hollow,
Königreich Charis
Der Scharfschütze blieb nach dem Schuss völlig reglos. Sein Ziel, Wyllys Gairaht, war tot.
Die Gelegenheit, den Kommandeur von Sharleyans Leibgarde auszuschalten, war ein unerwartetes Gottesgeschenk gewesen. Der Scharfschütze hatte es in Empfang genommen; er hatte für den Schuss nicht erst einen Befehl eingeholt. Schließlich hätte Captain Gairaht ohnehin sterben müssen. Denn was in dieser Nacht geschehen sollte, duldete keinerlei Zeugen, keine Überlebenden. Doch die Möglichkeit, Gairaht könne aufschreien oder einer seiner Leute sähe ihn fallen, hatte durchaus bestanden. Andererseits war der Schuss aus weniger als vierzig Schritt Entfernung abgefeuert worden. Über diese Entfernung hinweg war dem Scharfschützen schon seit seiner Kindheit kein einzigen Schuss mehr
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