Caylebs Plan - 6
fehlgegangen. Er war der Ansicht, hier habe sich die Gelegenheit geboten, einen Gegner lautlos auszuschalten, und die Möglichkeit, damit gleich den Anführer der gesamten Gardisten-Abordnung zu erledigen, hatte er für das Risiko wert gehalten.
Angestrengt lauschte er und hörte nichts als das Grollen des Donners im Westen und das Rauschen des stürmisch auffrischenden Windes in Baumkronen hoch über ihm.
Gut, dachte er und machte sich daran, vorsichtig und lautlos die Armbrust erneut zu spannen.
Stirnrunzelnd blickte Edwyrd Seahamper zum Himmel hinauf. Endgültig senkte sich die Dunkelheit der Nacht über Sankt Agtha herab. Nur der Schein vieler Kerzen, deren Licht durch die Fenster fiel, tauchte das Klostergelände in Halbdunkel; warm glommen die Buntglasfenster der Kapelle. Die Muster dieser Fenster waren schlicht, so wie es sich für ein Kloster geziemte, das zu Ehren einer Heiligen gegründet worden war, die sich einem Leben in Askese verschrieben hatte. Agtha hatte einst Armut gelobt, um sich ganz dem Dienste an ihren Mitmenschen widmen zu können. Die Farben der bunten Fensterscheiben aber besaßen eine Leuchtkraft, die der Schutzpatronin des Klosters gut anstand.
Verdammte Farben! Die leuchten so, dass ich heute Nacht ganz anders als sonst fast nachtblind bin!, dachte Seahamper grollend.
Das Licht reichte gerade, um die Schatten noch undurchdringlicher wirken zu lassen. Regnete es erst einmal richtig, würde es, wenn sich Seahamper nicht arg täuschte, nur noch schlimmer.
Natürlich werd ich sogar prächtig sehen können, wenn gerade wieder ein Blitz den Himmel zerreißt!
Angesichts dieses Gedankens verwandelte sich sein Stirnrunzeln in eine gequälte Grimasse. Darüber nachzudenken, wie sich der Regen auf andere Kleinigkeiten auswirkte - auf Kettenhemden zum Beispiel, auf Harnische, Schwertklingen, Pistolen und Gewehrläufe, auf Bajonette und alles andere, was aus Stahl bestand - war nicht dazu angetan, seine Stimmung zu verbessern. Trotzdem: Er hatte schon so manchen Regenguss über sich ergehen lassen, und eingelaufen war er trotzdem nie.
Er schüttelte diesen Gedanken ab und kehrte zu dem zurück, was sein Stirnrunzeln überhaupt erst hervorgerufen hatte.
Captain Gairaht hätte schon vor einer halben Stunde zurückkehren müssen. Der Captain war ein Mann mit immensem Tatendrang, und Zeitverschwendung war ihm zutiefst zuwider. Mittlerweile hätte er lange genug Zeit gehabt, um das gesamte Klostergelände zweimal zu umrunden. Doch immer noch war keine Spur von ihm zu sehen.
Wahrscheinlich hat er jemanden gefunden, der dringend einen ... Rat braucht, dachte Seahamper. Gott gnade jedem, dem der Alte vorwerfen zu können glaubt, er würde bei diesem Kommando hier etwas schleifen lassen! Andererseits: Wer wäre dämlich genug, so etwas zu tun?
Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich, und er blickte Sergeant Tyrnyr an. Tyrnyr, ebenfalls ein Chisholmianer, diente der Kaiserin seit acht Jahren, und damit war es nur logisch, dass er hier gemeinsam mit Seahamper vor der Tür des Gästehauses wachte.
»Ich frage mich, wo der Captain bleibt«, sprach Seahamper seine Sorgen laut aus.
»Genau das habe ich auch gerade gedacht«, gab Tyrnyr zu.
»Wahrscheinlich ist überhaupt nichts, aber von ihm kenne ich das einfach nicht«, fuhr Seahamper fort. »Laufen Sie doch mal rüber zum Haupttor, Bryndyn! Schauen Sie nach, ob er da irgendwo steckt.«
»Und wenn nicht?«
»Dann gehen Sie selbst auf Rundgang. Nein, warten Sie! Wenn die Posten da ihn nicht gesehen haben, dann schicken Sie einen der anderen auf Rundgang, und Sie kommen wieder hierher zurück.«
»Verstanden«, bestätigte Tyrnyr lakonisch und eilte im Laufschritt über den feinsäuberlich geschnittenen Rasen des Klosters.
Als die Nacht endgültig hereingebrochen war, richtete sich der Mann, der knapp hinter dem Obstgarten auf der Wiese kauerte, langsam wieder auf. Nailys Lahrak hatte sich das Gesicht geschwärzt. Seine dunkle Kleidung verschmolz gänzlich mit der Dunkelheit, die ihn einhüllte. Niemand, der mehr als nur wenige Schritt von ihm entfernt gestanden hätte, hätte ihn gesehen. Auch Lahrak konnte die Männer hier draußen nicht ausmachen, die unter seinem Kommando standen. Nicht, dass er deswegen besorgt gewesen wäre. Er brauchte sie nicht zu sehen, um zu wissen, wo sie sich befanden. Schließlich hatten sie genau diesen Einsatz unzählige Male geprobt.
Es war nicht möglich gewesen, mit absoluter Sicherheit vorherzusagen,
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