Caylebs Plan - 6
was hier bald geschehen wird, eintrifft: genau im Palast.«
»Dessen bin ich mir bewusst«, erwiderte Halbrook Hollow ein wenig kurz angebunden. »Schließlich stammt der Plan ursprünglich von mir. Aber Traivyr ist bereit, für mein Alibi zu sorgen. Dass ich mich ohnehin schon in der Nachbarschaft aufhalte, in seiner Jagdhütte eben, wird es mir gestatten, noch viel rascher an den Ort des Geschehens zu eilen. Wenn ich hier bin, ehe Gray Harbor oder sonst jemand aus Tellesberg hier eintreffen kann, wird mir das zugleich die Möglichkeit bieten, mit Sharleyans Entführern Kontakt aufzunehmen, bevor jemand anderes das tun kann. Es wird denen viel schwerer fallen, mich einfach fortzuscheuchen, wenn ich mich bereits in Verhandlungen befinde, bevor die anderen überhaupt hier eintreffen.«
Langsam nickte Halcom. Selbstredend war ihm bewusst, dass er jemanden Argumente vortragen hörte, die eine Entscheidung zu erläutern suchten, die aus gänzlich anderen Gründen getroffen worden war. Doch für vorgeschobene Argumente, das musste sich der Bischof eingestehen, klang das gar nicht so schlecht. Halbrook Hollow hatte den Plan geschmiedet, Sharleyan entführen zu lassen: durch Charisianer, die der Vereinigung von Charis und Chisholm äußerst kritisch gegenüberstünden. Auf diese Weise sollte dem Vertrauen, dass die Chisholmianer in das Königreich Charis und das neue Kaiserreich gleichen Namens setzten, der Todesstoß versetzt werden. Wenn die Charisianer es nicht einmal fertigbrächten, die Kaiserin und Königin von Chisholm vor ihren eigenen extremistischen Randgruppen zu beschützen, würden die Auswirkungen, die das in Chisholm haben würde, gewiss sehr drastisch ausfallen. Und nicht nur das: Am heftigsten würde das bürgerliche Lager reagieren - genau diejenigen also, die sich am ehesten irgendwelchen Machenschaften des Adels im Königreich entgegenstellen würden.
Gleichzeitig wäre der Beweis erbracht, dass Halbrook Hollows Zweifel daran, ob die Eheschließung eine weise Entscheidung gewesen war, berechtigt gewesen waren. Als ranghöchster chisholmianischer Adeliger in Charis - und Sharleyans Onkel, der zumindest offiziell immer noch das Oberkommando über die königliche Armee Chisholms innehatte! - müsste er eine der maßgeblichen Rollen bei den Verhandlungen mit Sharleyans Entführung spielen. Selbst wenn einige Leute, wie Gray Harbor beispielsweise, versucht wären, ihm die Handlungsvollmacht zu entziehen, würden sie doch begreifen, dass die politischen Folgen, die das in Chisholm nach sich ziehen würde, katastrophal ausfallen dürften.
Die Forderungen der Entführer würden extrem sein. Aber nicht gänzlich unerfüllbar für jemanden, der fest entschlossen war, seine geliebte Nichte zurückzuerhalten. In Sharleyans Namen würde der Herzog sich bereit erklären, das Schisma zwischen dem Tempel und der Kirche von Charis seitens Chisholm nicht weiter zu unterstützen, das aber nur, wenn er seine geliebte Nichte auch wirklich lebendig zurückerhielte. Sollten die Charisianer, die ebenfalls in die Verhandlungen eingebunden wären, dagegen Einwände erheben, würde er darauf hinweisen, dass Sharleyan diese Zustimmung später jederzeit würde widerrufen können, aber dazu ja erst einmal zurückkehren müsse.
Wenn der kritische Punkt schließlich erreicht wäre, würden die ›Entführer‹ sich bereit erklären, Sharleyan wieder in Halbrook Hollows Obhut zurückkehren zu lassen ... aber nicht auf charisianischem Boden. Sie würde nach Chisholm gebracht werden. Das wiederum erforderte, dass Halbrook Hollow persönlich nach Cherayth zurückkehrte. Seine Rückkehr käme frühzeitig genug, um den Sturz der ohnehin geschwächten Regierung von Baron Green Mountain und Königinmutter Alahnah zu arrangieren. Praktischerweise wäre ja jetzt der Beweis erbracht, wie unklug das Bündnis mit Charis doch von Anfang an gewesen war. Halbrook Hallow würde dabei natürlich immense Vorsicht walten lassen müssen. Doch da er das Oberkommando über die Armee innehatte, sollte ein Putsch gelingen. Er würde mit offenkundigem Bedauern und voller Trauer den Rücktritt seines alten Freundes Green Mountain entgegennehmen müssen, einfach deshalb, weil auch dies zu den Forderungen der Entführer gehören würde.
Der Herzog zweifelte nicht daran, dass, sobald Green Mountain aus dem Weg geräumt wäre, die konservativeren - und machthungrigeren - von Sharleyans Adeligen durchaus an einer Übereinkunft mit ihm interessiert sein
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