Celaenas Geschichte 4 - Throne of Glass
seinen bloßen Hals.
»Ich weiß, dass du Rache willst«, keuchte er. »Die will ich auch – für das, was er Sam angetan hat. Ich weiß, dass du …«
Sie kippte die Klinge gerade so weit, dass er sich zurückbog, damit sie ihm nicht mit einem tiefen Schnitt die Kehle aufschlitzte.
»Verstehst du nicht?«, flehte er mit in der Dunkelheit funkelnden Augen. »Das Ganze ist nur eine –«
Doch in Celaena loderte das schwarze Feuer auf und sie wirbelte mit einer Bewegung herum, die der Stumme Meister ihr diesen Sommer beigebracht hatte. Wesleys Augen wurden glasig, als sie ihm den Knauf ihres Messers an den Kopf knallte. Er verlor das Bewusstsein.
Noch bevor er den Boden berührte, rannte Celaena zum Zaun,sprang darüber und kurz darauf war sie in den Straßen der Stadt verschwunden.
Sie war Feuer, sie war Dunkelheit, sie war Staub und Blut und Schatten.
Sie raste durch die Straßen, jeder Schritt schneller als der vorige, während sich das schwarze Feuer in ihren Kopf und ihr Herz fraß, bis nur noch ihre Wut und ihre Beute übrig waren.
Sie spurtete durch Gassen und sprang über Mauern.
Sie würde sie alle abschlachten.
Schnell und immer schneller rannte sie zu dem schönen Haus in der ruhigen Straße, zu den beiden Männern, die ihre Welt zertrümmert hatten, Stück für Stück, Knochen um Knochen.
Sie musste es unbedingt bis zu Jayne und Farran schaffen – alle anderen waren unwichtig. Arobynn hatte gesagt, sie würden beide in ihren Betten liegen. Das hieß, sie würde an sämtlichen Wachen am Eingangstor, an der Haustür und im Erdgeschoss vorbeikommen müssen … ganz zu schweigen von den Wachen, die mit Sicherheit vor den Schlafzimmern postiert waren.
Aber es gab einen leichteren Weg ins Haus. Einen Zugang ohne das Risiko, Farran und Jayne zu warnen, wenn die Wachen an der Haustür Alarm schlugen. Harding hatte etwas von einem Fenster im ersten Stock gesagt, durch das er springen wollte … Harding war ein guter Akrobat, aber sie war besser.
Als sie nur noch ein paar Straßen entfernt war, kletterte sie an einem Haus nach oben aufs Dach. Dann rannte sie wieder so schnell, dass sie die Lücke zum nächsten Haus mit einem Sprung überbrücken konnte.
In den letzten Tagen war sie oft genug an Jaynes Haus vorbeigegangen, um zu wissen, dass es durch etwa fünf Meter breite Gassen von den Nachbarhäusern getrennt war.
Sie sprang über eine weitere Lücke zwischen zwei Dächern.
Jetzt wo sie darüber nachdachte, wusste sie, dass es im ersten Stock ein Fenster gab, das auf eine dieser Gassen hinausging – und es war ihr vollkommen egal, was hinter diesem Fenster lag, Hauptsache, sie gelangte ins Haus, bevor die Wachen im Erdgeschoss es merkten.
Da tauchte das smaragdgrün schimmernde Dach von Jaynes Haus auf und Celaena kam ins Rutschen, während sie abbremste. Zwischen ihr und dem langen Sprung über die Gasse befand sich ein breites, flaches Stück Dach. Wenn sie richtig zielte und schnell genug rannte, konnte sie es schaffen und durch das Fenster im ersten Stock hineinspringen. Es stand offen, die Vorhänge waren allerdings zugezogen und versperrten jeden Blick hinein.
Ihr jahrelanges Training brachte sie dazu, selbst im Nebel ihrer Wut instinktiv die benachbarten Hausdächer abzusuchen. War es Überheblichkeit oder Dummheit, die Jayne davon abhielt, auf den umliegenden Dächern Wachen zu postieren? Nicht einmal die Wachen auf den Straßen sahen zu ihr hoch.
Celaena löste ihren Umhang und ließ ihn hinter sich zu Boden gleiten. Jeder zusätzliche Luftwiderstand konnte verhängnisvoll sein und sie hatte nicht vor zu sterben, bis Jayne und Farran tot waren.
Das Dach, auf dem sie stand, setzte über dem zweiten Stock an und war auf das bewusste Fenster jenseits der Gasse ausgerichtet. Sie berechnete die Entfernung und ihre Fallgeschwindigkeit, vergewisserte sich, dass die auf ihrem Rücken gekreuzten Schwerter stramm saßen. Das Fenster war breit, trotzdem konnten die Schwerter am Fensterrahmen hängen bleiben. Sie ging so weit wie möglich zurück, um maximal Anlauf zu nehmen.
Irgendwo in diesem ersten Stock schliefen Jayne und Farran. Und irgendwo in diesem Haus hatten sie Sam zu Tode gefoltert.
Nachdem sie sie umgebracht hatte, würde sie das Haus vielleicht Stein für Stein niederreißen.
Vielleicht würde sie auch die ganze Stadt niederreißen.
Sie lächelte. Das klang gut.
Dann holte sie tief Luft und rannte los.
Das Dach war höchstens fünfzehn Meter lang – fünfzehn Meter
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