Celaenas Geschichte 4 - Throne of Glass
Ohren. Diese Hand würde sie auch zertrümmern. So wie Sams Hände systematisch zertrümmert worden waren. Hinter Farran fingen Wachen damit an, die Leichen hinauszutragen. Nur Jaynes Leiche, die noch immer über den Tisch ausgebreitet lag, rührte niemand an.
»Weißt du«, sagte Farran, »du bist wirklich ziemlich schön.« Er ließ einen Finger über ihre Wange gleiten, dann an ihrem Unterkiefer entlang. Ihre Wut wurde zu etwas Lebendigem, das in ihr Sturm lief und um eine einzige Chance kämpfte, sich zu zeigen. »Jetzt verstehe ich, warum Arobynn dich so viele Jahre als Schoßhündchen gehalten hat.« Sein Finger glitt tiefer, strich über ihren Hals. »Wie alt bist du eigentlich?«
Sie wusste, dass er keine Antwort erwartete, und sah ihm in die dunklen, gierigen Augen.
Sie würde nicht betteln. Wenn sie wie Sam sterben sollte, würde sie es mit Würde tun. Mit dieser Wut im Bauch. Und vielleicht … vielleicht bekam sie ja doch die Chance, ihn abzuschlachten.
»Ich bin fast versucht, dich für mich zu behalten«, sprach er weiter und strich ihr dabei mit dem Daumen über die Lippen. »Anstatt dich auszuhändigen, bringe ich dich vielleicht nach unten, und wenn du überlebst …« Er schüttelte den Kopf. »Aber das geht gegen die Abmachung, richtig?«
Worte kochten in ihr hoch, doch ihre Zunge rührte sich nicht. Sie konnte nicht einmal den Mund aufmachen.
»Du brennst darauf zu erfahren, wie die Abmachung lautet, nicht wahr? Mal sehen, ob ich mich richtig erinnere … Wir bringen Sam Cortland um«, begann Farran aufzuzählen, »du rastest aus und dringst hier ein, dann bringst du Jayne um« – er deutete mit dem Kinn auf den massigen Leichnam auf dem Tisch – »und ich nehme Jaynes Platz ein.« Nun wanderten seine Hände über ihren Hals, sinnliche Liebkosungen, die unerträgliche Qualen verhießen. Tatsächlich ließ die Betäubung von Minute zu Minute ein wenig nach, doch bewegen konnte sie sich noch immer nicht. »Ein Jammer, dass ich dich als Schuldige an Jaynes Tod brauche. Schließlich wird es kein so schönes Geschenk werden, dich dem König auszuhändigen.«
Der König. Farran würde sie nicht foltern oder töten, sondern dem König als Bestechungsgeschenk überreichen, damit die königlichen Augen nicht in Farrans Richtung blickten. Sie war auf Folter gefasst, auf die Vergewaltigungen, die sie Farran praktisch an den Augen ablesen konnte, aber wenn sie zum König kam … Sie schob den Gedanken beiseite, weigerte sich, ihn weiterzudenken.
Sie musste hier raus.
Farran musste ihr die Panik angesehen haben, denn er legte ihr lächelnd die Hand um den Hals. Seine scharfen Nägel stachen ihr in die Haut. »Hab keine Angst, Celaena«, flüsterte er ihr ins Ohr, während sich seine Nägel tiefer gruben. »Wenn der König dich am Leben lässt, stehe ich auf ewig in deiner Schuld. Schließlich bin ich durch dich jetzt der Herr der Unterwelt.«
Ihr lag ein Wort auf den Lippen, doch sie konnte es nicht aussprechen, so sehr sie sich auch bemühte.
Wer?
Wer hatte sie so mies verraten? Sie konnte verstehen, dass man sie hasste, aber Sam … Sam war bei allen beliebt gewesen, sogar bei Wesley …
Wesly. Er hatte ihr etwas sagen wollen: Das Ganze ist nur eine – Und dabei hatte sein Gesicht keine Gereiztheit ausgedrückt, sondern Schmerz und Wut, und zwar nicht auf sie, sondern auf jemand anderen. Hatte Arobynn Wesley geschickt, um sie zu warnen? Harding, dem Assassinen, der das Fenster erwähnt hatte, war ihre Position als Arobynns Nachfolgerin von jeher ein Dorn im Auge gewesen. Und er hatte ihr die Details darüber, wo und wie sie ins Haus gelangen konnte, praktisch auf dem Silbertablett serviert … Er musste es gewesen sein. Und Wesley hatte es vielleicht gerade erfahren, als sie aus dem Unterschlupf ausbrach. Denn die andere Möglichkeit … Nein, an die andere Möglichkeit konnte sie nicht einmal denken.
Farran lockerte den Griff um ihre Kehle und rückte von ihr ab. »Ich würde wirklich gern ein bisschen mit dir spielen, aber ich habe geschworen, dich nicht anzurühren.« Er legte den Kopf schräg, betrachtete die Verletzungen, die sie bereits hatte. »Ich glaube, ein paar geprellte Rippen und eine aufgeplatzte Lippe wird man mir verzeihen.« Er zückte seine Taschenuhr. »Himmel, es ist elf, und wir werden beide anderswo erwartet.« Elf. Eine Stunde, bevor Arobynn den Unterschlupf überhaupt verlassen wollte. Und wenn sie wirklich von Harding verraten worden war, würde er wahrscheinlich
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