Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
ertrunken sein! Lucius seufzte.
Ein Wagen, der sich der Baustelle näherte, lenkte seine Aufmerksamkeit ab. Eine seltsame Prozession begleitete ihn. An seiner rechten Seite erkannte Lucius den Haruspex, den Eingeweideschauer. Dahinter liefen ein Fetialpriester und zwei Auguren. Sie alle waren gut an ihrer Kleidung zu erkennen. Überrascht bemerkte Lucius hinter dem Wagen auch die Priester der Staatsgottheiten Jupiter, Mars, Quirinius und des Divis Julius. Die Anwesenheit eines solchen Aufgebots heiliger Männer bedeutete, dass eine wichtige Zeremonie bevorstehen musste. Doch niemand hatte Lucius darüber informiert.
Er ging der Prozession entgegen. Die Priester erwiderten seinen Gruß unwillig – offensichtlich gefiel es ihnen auch nicht, bei dieser Hitze hier zu sein.
„Kann ich euch behilflich sein?“, fragte er.
Einer der Auguren nickte ungeduldig und wies ihn an: „Lass deine Männer unsere Zelte aufbauen! Heute Nacht werden die Omen für die Zukunft der
colonia
gedeutet!“
Lucius winkte eilig seine Legionäre herbei, damit sie den Priestern die Zelte aufbauten.
Die Ingenieure waren derweil mit ihrer Arbeit fortgefahren. Der Architekt, der die Arbeiten leitete, trat zu den Priestern und neigte zur Begrüßung sein Haupt.
„Dort drüben ist der
locus gromae
. Ihr könnt sofort damit beginnen, euren Altar zu errichten.“
Die Priester nickten und holten aus dem Wagen allerlei Gerätschaften hervor. Ihre Gehilfen begannen, in unmittelbarer Nähe des
locus gromae
Steine aufzuschichten.
Bis zur Dämmerung hatten die Ingenieure die beiden Hauptstraßen und das Forum endlich abgesteckt. Als es dunkelte, packten sie ihre Messinstrumente ein und machten sich auf den Rückweg, ohne sich von den Priestern zu verabschieden. Diese waren bereits in ihre Zeremonie vertieft. Der Jupiterpriester sagte gerade seine Gebete auf und die Arbeiter und Legionäre schlichen vorsichtig von ihm weg, um ihn nicht zu stören. Ein Fehler, eine Unterbrechung, und die ganze Zeremonie musste von vorne beginnen.
Die offizielle Weihezeremonie fand am nächsten Morgen statt. Die Legionen in Basilia traten an und marschierten zu der neu zu gründenden Stadt. Sie standen um den Platz herum, der später das Forum sein würde.
Die Feldherren Piso, Tiberius und Drusus standen bei den Priestern.
Die Auguren verkündeten ihnen, dass die Zeichen in der Nacht günstig gewesen waren.
Dann wurden auf dem Altar ein Hase und ein Fasan ausgenommen. Der Haruspex sah sich die Lebern der Tiere gründlich an. Er drehte, wendete und befühlte sie sorgfältig. Endlich nickte er dem Jupiterpriester zu.
Dieser trat vor und sprach: „Höre, Janus, höre, Jupiter, höret, Mars und Quirinius!
Vernimm mich, oh Donnerer, der du die Dächer der weiten Stadt vom Tarpeafelsen überblickst! Vernehmet mich, oh troische Hausgötter des Juliergeschlechts! Vernimm mich, geheimnisvoller, entrückter Quirinus, fortgetragen zum Himmel! Gott Jupiter, auf der Thronkuppe von Alba! Herdfeuer der Vesta! Vernimm mich, Roma, als die höchste Gottheit! Seid unserem Beginnen gnädig! Ihr habt unser Opfer angenommen, ihr habt uns günstige Zeichen geschickt. So wird der Imperator Caesar Augustus, Sohn des vergöttlichten Julius, hier nun eine
colonia
errichten, einen Ableger der ewigen und heiligen Stadt Rom. Lasst euren Segen über diese Stadt und ihre Einwohner kommen! Diese
colonia
soll künftig unter dem Namen Augusta Raurica bekannt werden!“
Die Legionäre brachen in Jubel und Hochrufe aus. Die Priester führten eine weiße Kuh und einen Stier herbei, die vor einen Pflug gespannt waren. Damit zogen sie die Grenze um die Stadt, wie es einst Romulus getan hatte. Dort, wo die Tore stehen sollten, wurde der Pflug angehoben.
Nach dieser zeremoniellen Weihe der Stadt, die nun offiziell Augusta Raurica genannt wurde, kehrten die Legionen nach Basilia zurück.
Für die Ingenieure begann jetzt die Hauptarbeit: Straßen und Häuser mussten geplant werden. Lucius fand diese Arbeit noch langweiliger als die Vermessungen, die zuvor stattgefunden hatten. Immer wieder wurden imaginäre Punkte anvisiert, Linien auf Pergamente gezeichnet und aufgeregt über die Planungen debattiert. Es ging nur langsam voran. Quälend langsam.
Lucius gähnte herzhaft und zuckte erschrocken zusammen, als der Chefarchitekt ihn entrüstet anfuhr: „Eine Stadt zu planen und zu bauen ist viel besser, als zehn zu zerstören. Zerstören kann jeder, aber aufbauen ist eine Kunst! Doch das werdet ihr
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