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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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holte tief Luft. »Wenn es zu den höchsten Pflichten eines tugendhaften Mädchens gehört, Unrecht zu dulden und blind zu sein für das Unglück eines Menschen und für unnötige Verdammnis, haben auch die Geistlichen mich niemals davon unterrichtet!«
    »Nein, natürlich nicht!«, stieß die Herzogin hervor. Ihre Stimme wurde weicher, als sie Iselle zu überzeugen versuchte: »Aber die Gerechtigkeit ist nicht deine Aufgabe, Kind.«
    »Der Mann, dessen Aufgabe sie war, hat sie offensichtlich vernachlässigt. Ich bin keine Kuhmagd. Wenn ich besondere Vorrechte in Chalion genieße, so habe ich gewiss auch eine besondere Verpflichtung dem Land gegenüber. Das hat mir der Geistliche gesagt, und auch die gute Schwester!« Sie warf der im Hintergrund stehenden Lady dy Hueltar einen herausfordernden Blick zu.
    »Damit meinte ich die Aufmerksamkeit gegenüber deinen Studien!«, protestierte Lady dy Hueltar.
    »Als die Geistlichen über deine frommen Verpflichtungen sprachen, Iselle«, fügte dy Ferrej hinzu, »da meinten sie nicht … meinten sie nicht …«
    »Da meinten sie nicht, dass ich sie ernst nehmen sollte?«, erkundigte sie sich in aller Unschuld.
    Dy Ferrej geriet ins Stottern. Cazaril konnte es ihm nachfühlen. Ein unschuldiges Gemüt im moralischen Vorteil, und so unbesonnen und unwissend gegenüber den Gefahren wie die jungen Welpen, mit denen die Herzogin sie verglichen hatte – Cazaril empfand tiefe Dankbarkeit, dass er mit der Angelegenheit nichts zu tun hatte.
    Die Nasenflügel der Herzogin bebten. »Für den Augenblick könnt ihr beide euch erst einmal auf eure Gemächer zurückziehen und dort bleiben. Ich werde euch zur Strafe in den Schriften lesen lassen und später entscheiden, ob ihr euch dem Festmahl anschließen dürft. Gute Schwester, begleitet die beiden und sorgt dafür, dass sie auch in ihren Räumlichkeiten ankommen. Fort jetzt!« Sie wedelte herrisch mit den Händen. Als Cazaril sich ihnen anschließen wollte, verharrte ihr Arm mitten in der Luft und deutete mit aller Bestimmtheit nach unten. »Kastellan, dy Ferrej, Ihr bleibt noch einen Moment hier!«
    Lady Betriz schaute neugierig über die Schulter zurück, während sie hinausgeführt wurde. Iselle hingegen schritt hoch erhobenen Hauptes davon und warf keinen Blick mehr nach hinten.
    »Also gut«, sagte dy Ferrej einen Augenblick später müde. »Wir haben darauf gehofft, dass sie Freundinnen würden.«
    In Abwesenheit des jugendlichen Publikums erlaubte die Herzogin sich ein reuevolles Lächeln. »Erinnert mich nicht daran.«
    »Wie alt ist Lady Betriz denn?«, fragte Cazaril neugierig, immer noch mit Blick auf die zuschwingende Tür.
    »Neunzehn«, erwiderte ihr Vater seufzend.
    Gut, ihr Alter war also nicht ganz so unvereinbar mit dem seinen, wie Cazaril zunächst angenommen hatte. Wenngleich dies gewiss für ihre Erfahrungen galt.
    »Ich bin davon ausgegangen, dass Betriz einen hilfreichen Einfluss ausüben könnte«, ergänzte dy Ferrej. »Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein!«
    »Beschuldigt Ihr meine Enkelin, den Charakter Eurer Tochter zu verderben?«, fragte die Herzogin trocken.
    »Zu beeinflussen, würde ich eher sagen«, entgegnete dy Ferrej mit mürrischem Schulterzucken. »Es ist erschreckend. Ich frage mich, ob wir sie besser voneinander trennen sollten …«
    »Dann wäre das Geschrei groß.« Müde ließ die Herzogin sich auf einer Bank nieder und winkte die Männer an ihre Seite. »Ich will mir keinen steifen Nacken holen.« Cazaril verschränkte die Hände zwischen den Knien und harrte ihrer Wünsche, wie immer diese lauten mochten. Sie musste ihn aus irgendeinem Grund hierher mitgenommen haben. Längere Zeit musterte sie ihn nachdenklich.
    »Ihr seid ein unvoreingenommener Beobachter, Cazaril«, merkte sie schließlich an. »Habt Ihr irgendwelche Vorschläge?«
    Cazaril runzelte die Stirn. »Ich war für die Ausbildung junger Soldaten verantwortlich. Niemals für junge Mädchen. Davon verstehe ich nichts.« Er zögerte und fuhr dann beinahe gegen seinen Willen fort: »Es scheint mir ein wenig spät, Iselle jetzt noch zu einem Feigling zu erziehen. Aber Ihr könnt ihre Aufmerksamkeit auf die dünne Beweislage lenken, von der aus sie ihre Handlungen rechtfertigt. Wie kann sie sicher sein, dass der Richter tatsächlich so schuldig ist, wie die Gerüchte glauben machen? Hörensagen? Tratsch? Selbst manch augenscheinlicher Beweis kann in die Irre führen.«
    Cazaril erinnerte sich mit Bedauern an die

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