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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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in Darthacan versehen, die ein eiliges Durchstöbern der Bibliothek des verstorbenen Herzogs zu Tage gefördert hatte – ungefähr ein halbes Dutzend bunt gemischter Bände. Die ließ er mit eindrucksvollem Knall auf einen der kleinen Tische fallen, wobei er seine beiden Schülerinnen mit einem wohl erwogenen, unheilvollen Lächeln bedachte. Wenn es hier so ähnlich ablief wie bei der Ausbildung junger Krieger, junger Pferde oder Falken, war es entscheidend, vom ersten Augenblick an die Initiative an sich zu reißen und nie wieder aus der Hand zu geben. Er konnte ruhig so hohl sein wie eine Kesselpauke – wenn er nur ebenso laut dröhnte!
    Die Herzogin entfernte sich so rasch, wie sie erschienen war. Cazaril machte sogleich daran, die Fertigkeiten der Prinzessin in Darthacan abzufragen, womit er vortäuschte, einen Ausbildungsplan zu haben, während er in Wahrheit gerade erst daran arbeitete. Er ließ sie irgendeine Seite aus einem der Bücher vorlesen. Wie es sich ergab, war er mit dem Thema bestens vertraut: Es ging um die Unterminierung und Untertunnelung befestigter Stellungen im Verlauf einer Belagerung. Mit vielen Hilfen und Hinweisen holperte Iselle durch drei anstrengende Absätze. Cazaril stellte zwei oder drei Fragen auf Darthacan, um ihr Verständnis für die soeben gelesenen Inhalte zu prüfen. Das brachte sie arg ins Schwimmen, und sie bekam nur ein Stottern heraus.
    »Ihr habt einen grauenvollen Akzent«, ließ er sie wissen. »Ein echter Darthacanier würde kaum verstehen, was Ihr ihm zu sagen versucht!«
    Iselles Kopf schnellte nach oben, und sie funkelte Cazaril wütend an. »Meine Hauslehrerin war sehr zufrieden mit mir. Sie sagte, ich hätte eine überaus melodische Aussprache!«
    »In der Tat. Ihr sprecht wie ein Marktweib aus Süd-Ibra, das Fische feilbietet. Das mag man auch als melodisch bezeichnen, trotzdem macht sich jeder Edelmann aus Darthaca darüber lustig.« Zumindest über Cazarils Aussprache hatten sie schon ihre Witze gerissen. »Auf ihre furchtbare Sprache halten die sich nämlich sonst was zu Gute! Eure Hauslehrerin hat Euch geschmeichelt, Hoheit.«
    Sie musterte ihn finster. »Und Ihr haltet nicht viel von Schmeicheleien, habe ich Recht, Kastellan?«
    Ihr Tonfall und ihre Wortwahl waren hintergründiger, als er erwartet hätte. Cazaril verneigte sich spöttisch auf seinem Sitz – einer Kiste, die er auf die andere Seite des Tisches geschoben hatte –, doch das Ziehen an den Narben auf seinem Rücken ließ die Bewegung ein bisschen kürzer und weniger entschuldigend ausfallen, als sie hatte sein sollen. »Ich halte mich nicht für einen völligen Rüpel. Doch wenn Ihr einen Mann sucht, der Euch mit angenehmen Lügen über Eure Fertigkeiten versorgt und damit der Möglichkeit beraubt, dass Ihr Euch solches Lob tatsächlich verdient, werdet Ihr gewiss überall jemanden finden. Nicht alle Gefängnisse erkennt man an den Gittern – auch ein weiches Kissen kann ein Kerker sein, Hoheit!«
    Ihre Nasenflügel zitterten, ihre Lippen wurden schmal. Allzu spät kam es Cazaril in den Sinn, dass dies womöglich die falsche Herangehensweise war. Die Prinzessin war ein sensibles junges Ding, kaum mehr als ein Kind; womöglich musste er sanfter vorgehen. Und wenn sie sich bei der Herzogin über ihn beschwerte …
    Sie blätterte die Seite um. Mit eisiger Stimme sagte sie: »Lasst uns weitermachen.«
    Bei den Göttern, genau denselben Ausdruck enttäuschter Wut hatte er schon in den Augen junger Männer gesehen, die wieder aufgestanden waren, den Dreck ausgespuckt und weitergemacht hatten, um am Ende zu seinen besten Offizieren zu werden! Vielleicht war es doch nicht so schwierig. Mit großer Mühe verwandelte er ein breites Grinsen in ein Stirnrunzeln und zeigte mit würdevollem Nicken seine Zustimmung: »Fahrt fort.«
    Eine Stunde verging wie im Fluge mit dieser angenehmen, einfachen Beschäftigung. Na gut – einfach für ihn! Als die Prinzessin sich die Schläfen rieb und Cazaril die Falten zwischen ihren Augenbrauen bemerkte, die nichts mit Ärger zu tun hatten, lenkte er ein und nahm das Buch zurück.
    Lady Betriz hatte die Übung an Iselles Seite verfolgt und dabei stumm mitgelesen. Cazaril ließ sie den Text wiederholen. Da sie aus Iselles Fehlern gelernt hatte, war sie schneller. Aber leider litt sie unter dem gleichen ausgeprägten südibranischen Akzent wie Iselle, den sie vermutlich von derselben früheren südibranischen Lehrerin erworben hatte. Iselle hörte angestrengt zu, als

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