Chalions Fluch
Hühner, Eier und ein Stierkalb wurden außerhalb der Einfriedung übergeben. Lady dy Hueltar und Betriz schlossen sich der Herzogin auf ihrer Ehrenbank an, während Cazaril dahinter Stellung bezog – gemeinsam mit dem Majordomus, der seine ungewohnt zurückhaltende Tochter mit einem misstrauischen väterlichen Blick bedachte. Ein Großteil der Zuschauer zerstreute sich. Die Prinzessin kam vergnügt ihrer heiligen Pflicht nach, bis zum letzten und niedersten Bittsteller. Einem Holzsammler, einem Köhler und einem Bettler – der an Stelle einer Opfergabe ein Lied darbrachte – dankte sie in dem gleichen milden Tonfall, mit dem sie auch die ersten Männer in Valenda gesegnet hatte.
Der Zorn der Herzogin entlud sich erst, als die gesamte Familiengemeinschaft zum nachmittäglichen Festschmaus in die Burg zurückgekehrt war.
Unversehens fand Cazaril sich an ihrer Seite, da Majordomus dy Ferrej mit sicherem und bedachtsamem Griff die Führungsleine von Iselles Maultier übernommen hatte. Cazaril wollte sich in aller Stille davonschleichen, doch sein Plan wurde vereitelt, als die Herzogin sich von den Dienstboten vom Rücken ihrer kastanienbraunen Stute hinunterhelfen ließ und knapp befahl: »Reicht mir Euren Arm, Kastellan!«
Ihr Griff war fest, doch ihre Hand zitterte. Schmallippig stieß sie hervor: »Iselle, Betriz, dy Ferrej – hier entlang!« Sie richtete den Blick auf die Bohlentür der Ahnenhalle, unmittelbar neben dem Burghof.
Iselle hatte ihre Festtagskleidung im Tempel zurückgelassen, nachdem die Zeremonien beendet waren. Jetzt war sie wieder ein normales junges Mädchen in hübschen, blauen und weißen Gewändern. Nein, berichtigte sich Cazaril: eine Prinzessin! Unter der besorgten Oberfläche schwelte eine beunruhigende Entschlossenheit. Cazaril hielt die Tür, während die anderen nacheinander hindurchschritten, einschließlich Lady dy Hueltar. Wehmütig dachte Cazaril an seine Zeit als junger Page zurück: Damals hätte sein Gespür für Ärger ihn an dieser Stelle zu einem raschen Rückzug bewogen. Doch dy Ferrej hielt inne und wartete auf ihn, und so kam er hinterher.
Die Halle war inzwischen still und leer, wenn auch mit warmem Licht erfüllt von den Reihen der Kerzen, die auf dem Altar brannten und heute den ganzen Tag brennen würden, bis sie erloschen waren. Die Holzbänke, im Laufe der Zeit poliert von zahlreichen andächtigen Benutzern, schimmerten matt im Kerzenschein. Die Herzogin trat an die Stirnseite des Raumes und wandte sich den beiden Mädchen zu, die unter ihrem strengen Blick enger zusammenrückten.
»Also gut. Wer von euch hatte diesen Einfall?«
Iselle trat einen Schritt vor und machte einen kleinen Knicks. »Das war mein Einfall, Großmutter«, verkündete sie mit einer Stimme, die beinahe – aber nicht ganz – so deutlich war wie im Tempelhof. Nachdem sie einen weiteren Moment lang den verdrießlichen Blick der Herzogin ertragen hatte, fügte sie hinzu: »Auch wenn Betriz auf den Gedanken kam, zur Bestätigung die erste Flamme zu befragen.«
Dy Ferrej fuhr zu seiner Tochter herum. »Du hast gewusst, was auf uns zukommt? Und hast mir nichts gesagt?«
Betriz knickste vor ihm auf eine Weise, die ein genaues Abbild von Iselles Geste war, bis hin zum kerzengerade durchgedrückten Rückgrat. »So wie ich es verstanden habe, wurde ich der Prinzessin als Zofe zugeteilt, Vater. Nicht als irgendjemandes Spion. Sollte meine vorrangige Treue jemand anderem gelten als der Prinzessin, hat es mir niemand gesagt. Verteidige ihre Ehre mit deinem Leben – das waren deine Worte!« Nach kurzer Pause fügte sie weniger hitzig hinzu: »Außerdem, bis zu dem Augenblick, wo sie die erste Flamme geschlagen hatte, konnte ich ja nicht wissen, ob es tatsächlich geschehen würde.«
Dy Ferrej wandte sich von der jungen Wortverdreherin ab und machte eine hilflose Bewegung in Richtung der Herzogin.
»Du bist die Ältere, Betriz«, ermahnte die Herzogin das Mädchen. »Wir dachten, du könntest einen beruhigenden Einfluss auf Iselle ausüben. Ihr die Pflichten eines tugendhaften Mädchens nahe bringen.« Sie verzog die Lippen. »So wie Beetim, der Jagdaufseher, die jungen Hunde mit den älteren zusammenbringt. Weshalb nur habe ich deine Erziehung nicht ihm überlassen statt diesen nutzlosen Gouvernanten?«
Betriz blinzelte und machte einen weiteren Knicks. »Jawohl, Hoheit.«
Die Herzogin fasste sie scharf ins Auge und suchte nach verborgenem Spott. Cazaril biss sich auf die Lippe.
Iselle
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