Champagner und Stilettos
Blind Date? Meinst du wirklich?«, fragte Brooke, ohne von ihrem Laptop aufzuschauen.
»Er ist ein ganz Süßer«, schwärmte Nola und ließ sich neben sie auf die Couch fallen. »Vielleicht nicht dein zukünftiger Ehemann, aber sehr nett, sieht auch gut aus, und er wird dich sicher schick ausführen. Wenn du nicht so eine frigide Zicke wärst, könnte sogar was mit ihm laufen.«
»Nola!«
»Ich sag ja nur. Würde dir mal nicht schaden. Und wo wir gerade beim Thema sind, ’ne Dusche und eine Maniküre auch nicht.«
Brooke streckte die Hände aus und bemerkte zum ersten Mal ihre abgeknabberten Fingernägel und die ungepflegte Nagelhaut. »Was ist das denn für einer? Ein abservierter Lover von dir?«
Nola schniefte pikiert.
»Siehst du? Du hattest was mit ihm, und jetzt willst du ihn an mich durchreichen. Das ist echt das Letzte, Nol. Hätte ich dir gar nicht zugetraut. So abgebrüht bist doch normalerweise nicht mal du.«
»Okay, okay.« Nola verdrehte die Augen. »Ich hab ihn vor zwei Wochen auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennengelernt. Er war mit einem von meinen Kollegen da.«
»Sag ich doch, du hattest was mit ihm.«
»Nein! Vielleicht mit dem Kollegen –«
Stöhnend schlug Brooke die Hände vor die Augen.
»Aber das tut hier nichts zur Sache. Wichtig ist, sein Freund war süß und Single. Medizinstudent, glaube ich – ehrlich gesagt kannst du es dir sowieso nicht leisten, wählerisch zu sein. Solange er nicht scheintot ist …«
»Danke bestens.«
»Du gehst also mit ihm aus?«
Brooke seufzte genervt. »Okay, ich überleg’s mir, wenn du jetzt die Klappe hältst.«
Vier Tage später saß Brooke dann mit ihm draußen vor einem italienischen Lokal in der MacDougal Street. Genau, wie Nola versprochen hatte, war Trent nett, höflich, gepflegt – und todlangweilig. Ihre Unterhaltung war noch fader als die Linguine mit Tomaten und Basilikum, die er für sie beide bestellt hatte, und seine öde Ernsthaftigkeit weckte in ihr ein kaum bezwingbares Verlangen, sich die Gabel in die Augen zu rammen. Trotzdem stimmte sie aus unerfindlichen Gründen zu, als er nach dem Essen vorschlug, noch in eine Bar weiterzuziehen.
»Wirklich?«, fragte er, ebenso überrascht wie sie.
»Ja, warum nicht?« Schließlich hatte sie ja nichts anderes vor, noch nicht mal die Aussicht, sich später mit Nola noch einen Film reinzuziehen. Am nächsten Tag würde sie ein Fünfzehn-Seiten-Referat beginnen müssen, das in zwei Wochen abzugeben war; ansonsten winkten an spannenden Vorhaben nur die Wäsche, das Fitness-Studio und eine Vier-Stunden-Schicht Kellnern im Café. Wozu also nach Hause eilen?
»Wunderbar, du wirst sehen, es ist was Besonderes.« Er bestand netterweise darauf, die Rechnung zu übernehmen, dann zogen sie los.
Schon an der übernächsten Straßenkreuzung blieb Trent plötzlich stehen und stieß die Tür zu einer Bar auf, die für ihren Lärmpegel berüchtigt war. Es war der letzte Ort in Manhattan, an den man ein Date mitgenommen hätte, aber Brooke war froh, dass auf die Weise keine Unterhaltung möglich war. Sie würde ein, zwei Bierchen trinken, ein bisschen Achtziger-Rock aus der Jukebox hören und um Mitternacht im Bett liegen – allein.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dabei erkannte sie Julians Stimme sofort. Sie sah zur Bühne und kriegte den Mund nicht mehr zu: Da saß er in vertrauter Pose am Klavier, den Mund dicht am Mikrofon, die Finger über die Tasten fliegend, und sang ihren Lieblingssong: The woman sits alone in a room/Alone in a house like a silent tomb/The man counts every jewel in his crown/What can’t be saved is measured in pounds. Sie wusste nicht, wie lange sie wie angewurzelt im Türrahmen stand, vollkommen gebannt von seiner Musik – auf jeden Fall lang genug, dass Trent glaubte, einen Kommentar anbringen zu müssen.
»Nicht übel, was? Komm, ich seh da drüben zwei freie Stühle.«
Er nahm sie beim Arm, und Brooke ließ sich brav durch die Menge schieben. Sie hatte sich kaum hingesetzt und ihre Handtasche auf dem Tisch abgestellt, als der Song zu Ende war und Julian eine Pause ankündigte. Ganz am Rande nahm sie wahr, dass Trent etwas zu ihr sagte, aber in dem Stimmengewirr und abgelenkt durch Julian verstand sie kein Wort.
Es ging alles so schnell, dass sie es gar nicht recht mitbekam. Eben noch hatte Julian seine Mundharmonika von dem Ständer am Klavier genommen, da stand er plötzlich lächelnd an ihrem
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