Champagnerkuesschen
Wolfgang kratzt sich am Kinn. „Das hört sich allerdings schwierig an. Weißt du was?“
Ich schüttele fragend den Kopf.
„Ich stelle dir jetzt ein paar Fragen, und du nickst einfach. Okay?“
Ich nicke.
„Ist es jemand, den ich kenne?“
Ich nicke.
„Jemand aus deinem näheren Umfeld?“
Heftiges Nicken.
„Ist es Benni?“
Kopfschütteln.
„Katja?“
Ganz heftiges Nicken.
„Okay. Deine beste Freundin Katja hat also ein Problem?“
Nicken. Wenn das so weitergeht, habe ich bald einen steifen Nacken und muss so eine dämliche Halskrause tragen. Kein schöner Gedanke.
„Liebeskummer?“
Ich wiege meinen Kopf halb bejahend, halb verneinend hin und her.
„Okay, also, es geht aber in Richtung Liebeskummer?“
Ich nicke.
„Wenn sie sich von Sergej getrennt hat, dürftest du es uns erzählen?“
Ich nicke.
„Hat es mit Sergej zu tun?“ Oh Mann, ich komme mir vor, wie bei Dalli Dalli, nur dass vor mir nicht der attraktive Kai Pflaume steht, sondern ein besorgter Wolfgang.
Nicken.
„Sergej ist in Schwierigkeiten mit der russischen Mafia?“
Durchaus möglich, aber ... Kopfschütteln.
Wolfgang kratzt sich erneut am Kinn. Seine grauen Augen ruhen auf mir, als könnte er Gedanken lesen. Ich bin fast versucht, ihm entgegenzuschreien, dass Katja schwanger ist, aber ich habe es versprochen. Ich habe versprochen, nichts zu sagen!
„Katja ist schwanger“, platzt er plötzlich los. Genau in diesem Moment kommt Harald durch die Tür.
„Waaaaas?!“ Ein markerschütternder Schrei ertönt.
„Du solltest doch in der Küche bleiben“, sagt Wolfgang trocken. Ich glaube, den Mann kann wirklich nichts erschüttern.
„Meine beste Freundin ist schwanger, und ich bin der Letzte, der davon erfährt!“
„Nun, ehrlich gesagt, habe ich nicht gesagt, dass sie schwanger ist und ...“
„Du hast genickt“, kreischt Harald, „ich habe es genau gesehen. Wir bekommen ein Baby!“
„Hast du uns etwa die ganze Zeit belauscht?“ Wolfgang sieht Harald mit strengem Blick an.
Harald tippelt mit den Füßen. „Na ja, vielleicht ein bisschen“, gesteht der Unglückliche. „Wir bekommen ein Baby. Hörst du, Wölfchen – ein Baby.“ Harald klatscht begeistert in die Hände.
„Finde den Fehler in dem Bild“, sagt Wolfgang. „Nicht wir bekommen ein Baby, wenn überhaupt bekommt es deine Freundin Katja, und ich weiß nicht, ob sie in diesem Moment so glücklich darüber ist!“
Ich fühle mich jetzt richtig schlecht. Irgendwie komme ich mir vor wie eine Verräterin. Katja hat mir die Sache mit der Schwangerschaft anvertraut, aber ich hatte das Gefühl zu platzen, wenn ich nicht mit jemandem darüber rede. Ich bin ein schwacher Mensch, das wäre damit mal wieder bewiesen.
„Hört mal, ihr beiden“, melde ich mich zu Wort. „Ich habe Katja mein Ehrenwort gegeben, die Klappe zu halten.“ (Nee, stimmt ja gar nicht! Eigentlich habe ich ihr nur versprochen, nicht mit Sergej darüber zu sprechen.)
„Und ich dachte immer, Katja will keine Kinder“, sagt Harald.
„Will sie ja auch nicht! Zumindest im Moment.“
„Das bedeutet, sie will ... das Kind nicht bekommen ...“ Harald wird ganz blass und lässt sich neben Wolfgang auf das Sofa fallen. Er hechelt lautstark nach Luft.
„Ich geh dann mal das Asthmaspray holen.“ Wolfgang zwinkert mir zu.
Ich nicke.
„Danke, mein Liebelein“, japst Harald. „Was für ein Dilemma.“
„Das kannst du wohl laut sagen“, seufze ich. Wolfgang kommt wieder und reicht Harald wortlos das Spray. Nach zwei kräftigen Sprühstößen setzt die spontane Sofortheilung bei Harald ein, und er erfreut sich wieder einer gesunden Gesichtsfarbe. Wolfgang setzt sich grinsend neben uns.
„Eine schwere Entscheidung, so eine Abtreibung“, sagt Wolfgang nachdenklich. „Ich habe während meiner Ausbildung zum Pfleger auf der Gynäkologie gearbeitet. Da siehst du die gesamte Bandbreite des Lebens. Die Frauen, die wegen einer Abtreibung zu uns kamen, haben mir immer leidgetan. Die Wenigsten haben diese Entscheidung leichtfertig gefällt. Die meisten hatten gute Gründe für ihren Entschluss. Einige sind, sogar noch kurz bevor es soweit war, wieder aufgestanden und gegangen. Ich habe gelernt, dass man als Außenstehender wenig dazu sagen kann. Das muss jede Frau für sich selbst entscheiden. Das Einzige, was du machen kannst, ist, ihr deine Hilfe anzubieten, sie zu unterstützen und für sie da zu sein. Deine Freundin braucht dich jetzt!“
„Ich weiß. Deswegen bin ich
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