Champagnerkuesschen
Ich bin schwanger!“, würgt sie mir entgegen. Ich starre fassungslos auf das kleine Bröckchen Erbrochenes in ihrem Mundwinkel. Es dauert eine Weile, bis mein Hirn endlich kapiert, was meine Ohren da gerade gehört haben.
„Du bist schwanger???“
„Jaaaaa!“, schluchzt Katja. Dicke Tränen quellen aus ihren Augen. Sie sieht wie ein hilfloses kleines Mädchen aus. Schluchzend fällt sie mir in die Arme. Heiße Tränen tropfen auf meine Haut. Katjas ganzer Körper bebt, während sie von einem Heulkrampf geschüttelt wird.
Welche Höllenqualen muss meine Freundin in den letzten Wochen erlitten haben, dass sie so weint? Und plötzlich wird mir einiges klar: der viele Ingwertee, die Rohkost, die ungewohnten Gefühlsausbrüche, die dunklen Augenringe, die Übelkeit!
Ich war die ganze Zeit so mit mir beschäftigt, dass ich nicht bemerkt habe, wie schlecht es meiner besten Freundin geht. Was ist nur aus mir geworden? Eine selbstsüchtige Zicke, die nur an sich denkt! Mit einem Schlag fühle ich mich hundeelend.
„Aber deswegen musst du doch nicht weinen. Ich meine, so ein bisschen Übelkeit und Kotzen ist doch bei Schwangeren völlig normal.“
Katja bricht erneut in Tränen aus.
Ich streichele meiner Freundin sanft über den Kopf. Sie sieht überhaupt nicht aus wie eine Frau, die ihr erstes Kind erwartet und glücklich ist. Ehrlich gesagt sieht Katja im Moment eher wie der unglücklichste Mensch auf der ganzen Welt aus.
„Äh, nur mal rein theoretisch gefragt: Bist du dir ganz sicher?“
„Ich bin mir neunmal sicher“, piepst Katja.
„Neunmal?“ Ich runzele die Stirn.
Sie deutet auf den Mülleimer. „Ich habe neun verschiedene Schwangerschaftstests gemacht, und alle waren positiv.“ Katja heult laut auf. Ihr ganzer Körper schüttelt sich.
„Sind das Freudentränen?“, frage ich vorsichtig. Ich bin noch nie besonders gut im Deuten von Gefühlszuständen meiner Mitmenschen gewesen. Bei den meisten meiner bisherigen Interpretationen lag ich völlig daneben.
„Nein“, schnieft Katja.
„Aber warum nicht?“
„Na, wegen Sergej und wegen allem, was damit zusammenhängt“, japst Katja. Sie fängt erneut zu würgen an.
„Wegen Sergej?“, frage ich verwundert. Ausgerechnet Sergej? Ich glaube, ich kann mir keinen besseren Vater als Sergej vorstellen. Sergej ist der liebevollste, geduldigste Mensch, den ich kenne. „Will Sergej kein Kind?“
„Doch ... glaube ich zumindest.“ Katja senkt den Kopf. „Wir haben nie wirklich darüber gesprochen.“
„Hast du Sergej etwa noch nichts von der Schwangerschaft erzählt?“ Jetzt bin ich ernsthaft geschockt.
Katja schüttelt den Kopf, den Blick fest auf den Boden geheftet, peinlichst darauf bedacht, mir nicht in die Augen sehen zu müssen.
„Aber warum nicht?“ Mich befällt ein schrecklicher Verdacht. „Ist Sergej nicht der Vater?“
Katja hebt abrupt den Kopf. „Quatsch! Natürlich ist er der Vater! Was denkst du eigentlich von mir?“
Ich schweige betreten.
Katjas Augen funkeln böse. „Aber schließlich ist er nicht mehr der Jüngste und er hat mir gegenüber nie ein Wort darüber verloren, ob er Familie will. Sergej ist ein Einzelgänger. Ein einsamer Wolf mit einer Gefährtin an seiner Seite, zu der er kommt, wenn er es möchte. Das ist kein Mann, der eine Familie braucht, um glücklich zu sein.“
„Ach Blödsinn! Ich bin mir sicher, dass Sergej begeistert sein wird, wenn du ihm von dem Baby erzählst. Schließlich liebt er dich.“
„Julia, bis jetzt war Sergej ausschließlich für sein Unternehmen da. Seine Firma bedeutet ihm alles. Außerdem ...“, sie macht eine kurze Pause und sieht mir traurig in die Augen, „... weiß ich nicht, ob ich ein Kind möchte.“
Sie hebt hilflos die Hände in die Luft. „Ich bin endlich da, wo ich immer sein wollte. Ich habe gerade eine Gehaltserhöhung bekommen, habe ein Einzelbüro mit Blick auf die Elbe, ein schönes Appartement und ein Sexleben, das sich auch als solches bezeichnen lässt ... Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, das alles gegen Kindergeld und einen Platz am Wickeltisch einzutauschen.“ Sie atmet tief durch und sieht mich hohläugig an. „Denkst du jetzt schlecht über mich?“
Ich nehme meine Freundin in den Arm. „Du bist meine beste Freundin und der tollste Mensch, den ich kenne. Natürlich denke ich nicht schlecht über dich! Aber, wenn ich dir einen Rat geben darf ...“ Katja nickt. „Du solltest Sergej erzählen, was mit dir los ist! Schließlich ist es auch
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