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Champagnerkuesschen

Champagnerkuesschen

Titel: Champagnerkuesschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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Harald geflissentlich überhört.
    „Sie redet schon wie meine Mutter“, kontert Harald und zieht eine Schnute.
    „Kluge Frau. Okay, okay. Und ... was gibt es Neues von der Singlefront zu berichten?“
    „Ich habe heute Abend mein nächstes Date“, verkündet Harald zwischen zwei Stückchen Kuchen. „ Toyboy . Wir treffen uns in der Wunderbar .“
    „Ist das nicht diese plüschige Schwulenbar auf dem Kiez?“ Nicht, dass ich jemals einen Fuß in den Laden gesetzt hätte, aber dank Haralds ausschweifenden Erzählungen habe ich die Wunderbar bildlich vor Augen.
    Harald nickt freudig. „Genau die! Der DJ Frau Holle spielt für gewöhnlich den ganzen Abend Schlagermusik. Herrlich!“
    „Und wie sieht der Typ aus?“, frage ich.
    „Laut seiner Beschreibung ist er 1,75 m groß, sportlich und offen für alles.“
    Im Klartext heißt das wahrscheinlich: Klein, dick und verklemmt!
    „Na, das hört sich doch vielversprechend an. Und was ziehst du zu eurem ersten Treffen an?“, frage ich skeptisch.
    „Ich dachte an meinen weißen Anzug und dazu das schwarze ...“
    Bilde ich es mir ein oder ...? Ich starre wie gebannt auf Haralds Lippen. Ich könnte schwören, dass seine Lippen irgendwie dicker wirken ...
    „Julia, hört sie mir überhaupt noch zu?“, fragt Harald erbost.
    „Du ... du hast ... geht es dir gut?“, stottere ich. Haralds Oberlippe sieht aus, als sei er von einer Wespe gestochen worden.
    „Wieso frascht du dasch?“, nuschelt Harald.
    „Deine Lippe ...“, hauche ich, „... sieht irgendwie komisch aus.“
    Harald tastet hektisch mit seinen Fingern entlang seiner Lippe. „Oh Gott, oh Gott, oh Gott!“, kreischt er mit Kettensägen-Stimme.
    „Harald. Bleib ganz ruhig“, bitte ich ihn. Einige der Gäste blicken irritiert zu uns herüber.
    „Aber isch schpüre meine Lippe kaum noch. Ischt irgendwie taub ...“ Harald knetet seine Oberlippe wie ein Stück Teig.
    „Du hast eine allergische Reaktion“, diagnostiziere ich laienhaft. „Von wegen Ausschlag ...“
    Harald nickt. Schnappatmung hat eingesetzt. Ich bekomme es langsam mit der Angst zu tun.
    „Gib mal die Packung her.“
    „Welsche Packung?“ Harald pfeift wie ein alter Blasebalg.
    „Na, die von deinen Tabletten.“
    „Waaaruum?“
    „Ich will gucken, ob da irgendwas steht.“
    Harald reicht mir wortlos seine Handtasche. Ich dachte ja schon immer, ich sei für alle Fälle gewappnet, aber, als ich Haralds Tasche öffne, kann ich kaum glauben, was sich darin befindet.
    „Meine Güte, was hast du denn alles da drin?“
    Belustigt und verwundert zugleich leere ich den Inhalt auf den Tisch. Kondome (War ja klar!) in verschiedenen Ausführungen purzeln zusammen mit Make-up (Welcher Mann außer Harald könnte dergleichen in der Tasche haben?), Nasenspray, Asthmaspray, Deospray, Gleitgel (Oh mein Gott!) und einer Tablettenpackung auf die Holzplatte. Ich greife nach der Packung.
    „Biotin“, lese ich.
    „Waaasch?“ Harald reißt seine Augen noch weiter auf als sonst.
    Ich halte ihm die Packung unter die Nase.
    „Scheische! Isch dachte, dasch schind Antihischtamine.“
    „Was dachtest du?“ Ich schüttele den Kopf.
    „Antihischtamine.“
    „Also ist Biotin falsch?“ Ich starre völlig fasziniert auf sein Gesicht, das langsam, aber sicher groteske Züge annimmt.
    „Ischt gut für die Haare“, stammelt Harald zwischen seinen Würstchenlippen hervor. „Aber mascht nischt gegen Allergie.“
    Die Bedienung kommt zu uns an den Tisch. Als sie Harald sieht, stößt sie einen spitzen Schrei aus. „Heilige Scheiße!“, entrutscht es ihr.
    „Vielleicht sollten wir vorsichtshalber in die Klinik fahren“, schlage ich vor. Haralds Lippe ist mittlerweile so angeschwollen, dass Chiara Ohoven vor Neid erblassen würde.
    Harald japst, und aus seinen Augen spricht die pure Panik.
    „Alles wird gut“, flüstere ich ihm zu.
    Unter den neugierigen Blicken der Gäste verlassen wir das Café und eilen zum Taxistand.
     
     
    In der Klinik angekommen, empfängt uns der typische Geruch nach Desinfektionsmittel, der allen Krankenhäusern anhaftet. Nach kurzem hysterischen Geschrei von Harald werden wir sofort in die Notaufnahme geschickt, wo uns ein völlig übermüdet aussehender Arzt begrüßt. Wahrscheinlich hat der arme Mann bereits ein Dutzend Leben gerettet, während ich nur gelangweilt Kaffee getrunken habe.
    „Sie sehen ja gar nicht gut aus“, kommentiert der Arzt, während er Harald einer fachmännischen Untersuchung unterzieht. Haralds

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