Champagnerkuesschen
keine Lust mehr, ins Büro zu fahren.“
Der Pfleger hält noch immer Haralds Arm.
„Gut, wir gehen dann mal“, fordere ich Harald auf. Der Pfleger lässt Haralds Arm los. Harald springt wie ein junger Gott vom Untersuchungsstuhl, sodass seine dicke Lippe wie ein Entenschnabel schlabbert.
„Vielen Dank, Herr Doktor“, verabschiedet sich Harald, sieht jedoch den Pfleger dabei an, der ihn freundlich anlächelt. Mit federndem Schritt verlässt Harald das Untersuchungszimmer, um wenige Schritte später keuchend auf eine Bank zu sinken.
„Isch kann in meinem Schustand unmöglisch unter Leute“, jammert Harald.
„Aber eben hast du doch noch gesagt, alles sei in Ordnung?“, frage ich verwundert.
„Ja“, nickt Harald. „Eben hat auch nosch dieschser wahnschinnig attraktive Pflescher meine Hand gehalten.“
„Du machst Witze, oder?“, frage ich.
„Keineschwegsch. Diescher Mann schah ja scho unglaublisch männlisch ausch und diesche Schtimme!“
„Aber der hat doch kaum ein Wort gesagt“, sage ich.
„Liebelein, dasch wenige, wasch er geschagt hat, war völlig auschreichend“, verteidigt sich Harald.
„Und was willst du jetzt machen?“ Ich sehe mich in der Eingangshalle des Krankenhauses um. Bei dem Anblick der vielen kranken Menschen fühle ich mich leicht depressiv. Ich finde immer, wenn man noch nicht krank war beim Betreten eines Krankenhauses – dort wird man es auf jeden Fall! Ich spüre förmlich, wie mich die Viren und Bakterien von allen Seiten anspringen!
„Taxi schnappen, nach Hausche fahren und schlafen“, entgegnet Harald matt.
„Und deine Verabredung?“, frage ich.
„Welsche Verabredung?“, wiederholt Harald mit glänzenden Augen.
„Ich glaube, du solltest dich wirklich lieber hinlegen, wenn du dein Date mit Toyboy schon vergessen hast“, erinnere ich ihn.
„Ach Göttle!“ Harald schlägt theatralisch die Hände über dem Kopf zusammen. „Isch hoffe, ich kann Toyboy nosch erreischen.“ Er wirft einen Blick auf seine Uhr. „Schon kurz nach sechs. Aber scho kann ich misch unmöglich in der Wunderbar blicken lassen.“ Er sieht mich erwartungsvoll an.
„Wie? Warum guckst du mich so an?“, frage ich irritiert.
„Wenn isch nicht kann, musch einer für misch in die Wunderbar und Toyboy erklären, warum isch nischt kommen konnte“, erklärt mir Harald.
„Du machst Witze“, entgegne ich.
„Keineschfalls, meine Liebe“, antwortet Harald.
Stöhnend lasse ich mich neben ihn auf die Bank fallen.
6. Julias Facebook-Status: Warum sind eigentlich alle schönen Männer schwul?
Als ich die Wohnungstür aufschließe, empfängt mich Katja mit einer Flasche Sekt in der Hand.
„Na endlich! Ich habe schon vor einer Stunde mit dir gerechnet. Wo warst du denn die ganze Zeit? Emma hat auch schon angerufen und nach dir gefragt. Die Arme war völlig aufgelöst. Sie meinte, du wolltest nur einen Kaffee trinken gehen und seist nicht wieder aufgetaucht.“
„Stimmt genau. Ich hatte einen sehr aufregenden Nachmittag mit unserem Freund Harald im Krankenhaus“, erkläre ich und hänge meine Jacke an der Garderobe auf. „Ich rufe Emma gleich mal an.“
„Im Krankenhaus?“, fragt Katja verblüfft.
Ich nicke. „Genau, und deshalb gehen wir zwei Hübschen auch gleich in die Wunderbar .“
Katja kommt näher. „Hauch mich mal an.“
Ich tippe mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Sag mal, spinnst du? Nur, weil ich mit dir in die Wunderbar will, bin ich doch nicht betrunken.“
„Entschuldige bitte, aber ich verstehe nur Bahnhof“, erklärt Katja.
Ich kläre Katja über den Zwischenfall von heute auf, „... denn das war keine Allergietablette, sondern ein Haut- und Haarwuchsmittel. Keine zwei Minuten später waren seine Lippen zu zwei Schläuchen angeschwollen.“
Ich muss kichern.
„Katja, du hättest das sehen müssen.“ Ich klappe meine Lippen nach außen und ahme so Haralds nach. Katja lacht.
„Daraufhin bin ich mit ihm in die Klinik gefahren, wo ihm ein brummeliger Arzt eine Spritze verpasst hat ...“, ich schnappe nach Luft, „... während der nette Pfleger Haralds Händchen gehalten hat. Und jetzt ist Harald völlig erschöpft ...“
„Wegen des Pflegers ...?“, unterbricht mich Katja.
„Nein, wegen der Spritze natürlich. Der Arme ist total fertig und hat sich hingelegt. Jedenfalls kann er seine Verabredung mit Toyboy nicht mehr wahrnehmen und hat mich nun gebeten, in die Wunderbar zu fahren. Hast du alles soweit kapiert?“ Katja nickt artig.
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