Champagnerkuesschen
Tresen.
„Auf einen schönen Abend.“ Er hebt sein Glas und lässt den Wein fachmännisch in seinem Glas kreisen, um anschließend einen kleinen Schluck davon zu nehmen. „Ein gutes Tröpfchen.“ Er prostet mir zu.
Mit einem Lächeln hebe ich das Glas. „Auf einen schönen Abend“, sage ich mit tiefer Stimme. Ich habe mal gelesen, dass Frauen mit tiefer Stimme von Männern als sexuell attraktiv empfunden werden. „Wissen Sie, vor ein paar Minuten wollte ich mir noch ein Ticket in die Antarktis buchen, um bei den Eskimos unterzutauchen, aber so wie es aussieht, ist das nicht mehr nötig.“
Andreas Neumann lächelt mich breit an. Meine Güte, der Mann hat aber auch strahlend weiße Zähne! Ob die echt sind? Man liest ja so allerhand in der Presse.
Tom Cruise, der Vorzeige-Strahlemann aus Hollywood, soll sich schließlich auch alle Zähne verblendet haben lassen. Schade nur, dass seine Stimme dadurch nicht männlicher geworden ist. Ich meine, den Mann kann doch keiner ernst nehmen, wenn er einen von der Kinoleinwand mit Daisy Duck-Stimme anpiepst und dabei Sätze wie „Das Spiel ist aus, Kleiner ...“ sagt.
Ich finde, eine Stimme macht viel bei einem Menschen aus, genauso wie Hände und Zähne. Sind die Zähne ungepflegt, kann man davon ausgehen, dass es der Kerl mit der restlichen Körperpflege auch nicht so genau nimmt. Ähnlich verhält es sich mit den Händen eines Mannes. Trauerränder unter den Nägeln sind ein absolutes Tabu, außer der Mann kommt gerade aus der Werkstatt und alle Waschbecken, an denen er vorbeigekommen ist, sind kaputt. Was eher selten der Fall sein dürfte.
Bei dem Exemplar, das mir gerade gegenübersitzt, ist jedenfalls so weit alles in Ordnung. Im Gegenteil, die Hände von Andreas Neumann sehen aus wie die eines Pianisten, feingliedrig und trotzdem männlich. Ob sie sich wohl weich anfühlen?
Plötzlich bemerke ich, wie er mich etwas erstaunt ansieht.
„Julia Zoe Löhmer“, helfe ich ihm auf die Sprünge. „Sie können sich bestimmt nicht an mich erinnern, oder besser, Sie wollen sich bestimmt nicht an mich erinnern. Ich war heute in Ihrer Sendung ...“, piepse ich.
Von tiefer Stimme keine Spur mehr. Das passiert mir immer, wenn ich aufgeregt bin. Neben mir sitzt schließlich einer der begehrtesten Moderatoren, den das deutsche Fernsehen zu bieten hat, da darf man als Frau schon mal aufgeregt sein. Außer den üblichen Begrüßungsworten habe ich, dank seiner Verspätung vorhin, keine Silbe außerhalb des Fernsehstudios mit dem Mann geredet.
Sein Lächeln wird noch breiter. „Natürlich kann ich mich an Sie erinnern“, fällt er mir ins Wort. „Die Aufzeichnung ist ja gerade mal eine Stunde her.“
„Genau deshalb ja. Ich dachte schon, Sie haben unsere Begegnung bestimmt verdrängt“, sage ich etwas betrübt.
„Glauben Sie wirklich, dass ich eine schöne Frau wie Sie so schnell vergessen könnte?“ Er sieht mir direkt ins Gesicht. Wahnsinn, diese Augen! An die kommt nicht einmal Terence Hill heran, und der ist schließlich wegen seiner Augen berühmt geworden. Ich kichere wie ein verstörter Teenager. Der Mann hat wirklich Charme. Außerdem rechne ich es ihm hoch an, dass er mich nicht sofort auf das Telefonat mit meiner Mutter angesprochen hat.
„Kommen Sie öfter hierher oder nur in Notfallsituationen wie dieser?“, erkundigt er sich.
„Nun, wenn ich mich bis auf die Knochen blamiert habe und meinen Kummer darüber im Alkohol ertränken will, ansonsten eher selten“, teile ich ihm mit.
„Wie schade“, bedauert er, „ich hatte schon gehofft, dass wir uns jetzt, wo wir uns offiziell vorgestellt haben, öfter auf ein Gläschen Wein treffen könnten.“
Herrje, der gibt aber Gas! Ich nehme einen großen Schluck von meinem Rotwein. Jetzt schön cool bleiben, der soll schließlich nicht den Eindruck bekommen, dass ich auf ihn stehe. Vor mir sitzt einer der attraktivsten Männer des deutschen Fernsehens und lächelt mir zu. Ich ärgere mich ein bisschen, dass ich Tina gebeten habe, mein Make-up zu entfernen. Aber so verheult, wie ich war, hätte ich unmöglich in die Öffentlichkeit treten können.
„Tja, aber das lässt sich ja vielleicht einrichten.“ Habe ich das gerade gesagt? Ich habe einen Freund, einen tollen Freund! Was mache ich hier eigentlich?
Andreas Neumann scheint meine Zweifel nicht zu bemerken. Sein Lächeln ist nach wie vor umwerfend.
„Darauf sollten wir unbedingt noch ein Schlückchen trinken.“ Andreas Neumann hebt sein Glas.
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