Champagnerkuesschen
Gott, wenn ich mir vorstelle, dass das gesamte Studio mithören konnte, wie ich mit meiner Mutter telefoniert habe! Mein Gesicht steht in Flammen.
Ich haste an einem Sicherheitsbeamten vorbei. Als ich genau auf seiner Höhe bin, legt sich ein breites Lachen auf sein Gesicht. Er winkt dem zweiten Wachmann zu, der Posten am Eingang des Foyers bezogen hat, was Besagten dazu bewegt, sich mir in den Weg zu stellen.
„Waren Sie nicht gerade in Neumanns Sendung?“, fragt mich der Unglücksselige. Er mustert mich genau.
Ich senke verschämt den Kopf. „Wieso?“
Ohne auf meine Frage einzugehen, ruft der Mann seinen Kollegen zu sich. „Stefan, das ist sie.“ Lieber Gott, wenn es dich wirklich gibt, wäre das der geeignete Zeitpunkt, sich zu zeigen. Ich halte gespannt die Luft an, aber nichts passiert.
Berührungsängste haben die beiden Wachmänner jedenfalls nicht, denn sie stehen keine Handbreit von mir entfernt. Einer der beiden räuspert sich geräuschvoll.
„Würden Sie mir ein Autogramm geben?“, fragt mich der Größere von beiden plötzlich. Ich hebe überrascht den Kopf.
„Für mich auch“, sagt der zweite und hält mir einen Stift entgegen.
„Wirklich?“, frage ich überrascht.
Beide Männer nicken artig. Vielleicht war ich doch gar nicht so schlecht? Vielleicht liegt doch noch eine Karriere als Moderatorin vor mir? Ich nehme den Stift entgegen. „Ich habe leider nichts dabei, worauf ich unterschreiben könnte“, entschuldige ich mich.
„Hier.“ Der Kleinere mit der Glatze reicht mir eine Karte mit dem Logo des Senders drauf. „Wenn Sie bitte Für Stefan. In Liebe schreiben könnten.“
Jetzt bin ich richtig gerührt. Ich habe Fans! Völlig ergriffen starre ich auf die beiden Wachmänner.
„Für mich das Gleiche. Nur Für Rolf, bittet der Große.
Ich nicke und schreibe mit zittrigen Fingern die Widmung und meinen Namen auf die Karte. Julia Zoe Löhmer. Ich darf nicht vergessen, wenn ich das nächste Mal mit meiner Mutter telefoniere, mich für diesen tollen Namen zu bedanken, den sie mir gegeben haben.
Als ich fertig bin, reiche ich dem Großen den Stift zurück. Beide bedanken sich bei mir. Beschwingt und mit dem Schicksal versöhnt, gehe ich in Richtung Ausgang, als ich höre, wie der Große zu dem kleinen Wachmann sagt:
„Wer war die Kleine überhaupt?“
„Keine Ahnung! Aber sie hat sich so gefreut, dass sie ein Autogramm geben durfte.“ Die Männer lachen. „Ist doch immer wieder schön zu sehen, wie die Mädels glauben, sie seien ein Star!“
Hahahaha!
Mit einem Schlag ist mir klar, dass ich mich zum Gespött der ganzen Stadt gemacht habe. Ich kann mich nie mehr in der Öffentlichkeit sehen lassen. Ich stürme aus dem Gebäude. Draußen angekommen, sehe ich mich um. Ich brauche Alkohol und am besten auch noch einen dunklen Ort, an dem ich mich verstecken kann. Ah, vor mir auf der gegenüberliegenden Straße finde ich genau das Richtige! CavaRo. Weinkeller .
Der Kellner stellt das Glas Rotwein vor mich auf den Tresen.
„Danke.“ Ohne meinen Kopf zu heben, bezahle ich und nehme einen Schluck. Das war mit Abstand der schlimmste Tag in meinem Leben! Ich greife zum Telefon und wähle Katjas Nummer, sozusagen mein persönliches Seelsorgetelefon. Es klingelt. Keiner hebt ab. Stattdessen springt die Mailbox an.
„Hier ist deine beste Freundin. Katja, mein Auftritt war eine absolute Katastrophe, und deshalb muss ich mich jetzt auch gleich umbringen. Ich wollte dir nur noch einmal sagen, wie lieb ich dich habe. Du bist die beste Freundin, die sich eine Frau wünschen kann.“ Ich schniefe vor lauter Selbstmitleid. „So, ich werde mich jetzt in Alkohol ... genauer gesagt, in Rotwein ertränken.“ Ich lege auf.
„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
Verblüfft hebe ich den Kopf und blicke geradewegs in ...
„Herr Neumann?!“
Andreas Neumann nickt und lässt sich auf dem Barhocker neben mir nieder. Der Barkeeper ist sofort zur Stelle.
„Ist der Wein gut?“, fragt Andreas Neumann.
Ich nicke stumm. In meinem Kopf allerdings schreit es. Weiß der Mann überhaupt, neben wen er sich gerade gesetzt hat? Ohne das ganze Make-up sehe ich farblos aus, wie ein Glas Milch. Bestimmt hält der mich für jemand anderes.
„Das Gleiche wie die Dame.“ Andreas Neumann lächelt mich an. Das kann nur eine Verwechslung sein. Der würde niemals die Frau anlächeln, die sich gerade bis auf die Knochen vor laufender Kamera blamiert hat. Der Barkeeper stellt das Glas vor ihn auf den
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