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Champagnerkuesschen

Champagnerkuesschen

Titel: Champagnerkuesschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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aufkeimen, dass Tina meine Haare in den Griff bekommen wird. Eigentlich wollte mich ja Harald begleiten, aber der hatte heute Mittag plötzlich einen wichtigen Termin. Seit Harald seine Liebesschwingen ausgebreitet hat, sind Absagen an der Tagesordnung.
    „Ist das dein erster Fernsehauftritt?“, fragt mich Tina, während sie meine Haare aus dem Gesicht schiebt. Sie ist mir auf Anhieb sympathisch. Ihr Gesicht ist nicht hübsch, aber auch nicht hässlich. Lediglich ihre Augen sind leicht betont. Ihre langen braunen Haare hat sie locker am Hinterkopf zusammengebunden. Nicht so wie die Visagisten, die man bei Douglas oder im Alsterhaus antrifft. Die sehen nämlich immer aus, als wären sie kopfüber in einen Farbtopf gefallen. Tina hingegen wirkt völlig natürlich. Das gefällt mir.
    „So, am besten, du lehnst dich zurück und entspannst“, schlägt Tina vor. „Ich kümmere mich so lange um dein perfektes Äußeres.“
    Toller Vorschlag! Und perfektes Äußeres klingt vielversprechend. Nur mit der Entspannung wird es schwierig. Ich bin nämlich alles andere, nur nicht entspannt. Bei dem Gedanken, gleich im Fernsehen zu sein, bekomme ich feuchte Hände, und mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
    „Ich versuche es“, sage ich.
    Tina lächelt mir im Spiegel entgegen. „Nervös?“
    Ich nicke.
    „Das wird schon“, tröstet sie. „Andreas ist ein echter Profi. Da musst du dir keine Sorgen machen.“
    Tinas Wort in Gottes Ohr! Ich versuche, mich zu beruhigen. Aber wie? Tief durchatmen!
    Tina macht sich an die Arbeit. Wenn man sie so dabei beobachtet, könnte man meinen, sie nehme ein Facelift vor, anstatt mich zu schminken. Eine knappe Stunde später habe ich eine dicke Schicht Make-up – gefühlt einige Zentimeter – auf dem Gesicht.
    „Fertig!“, verkündet Tina.
    Ich traue zunächst meinen Augen nicht! Ehrlich gesagt wusste ich nicht, dass so viel Make-up derart natürlich aussehen kann. Ich habe eine geradezu jugendliche Haut! Meine Augen leuchten, und mein Haar schimmert, als hätte Tina es mit Goldspray überzogen.
    „Zufrieden?“, fragt sie mich mit prüfendem Blick.
    „Sensationell“, bestätige ich. „Ich wusste nicht, dass ich so ...“ Ich drehe mein Gesicht zu beiden Seiten. „... so schön aussehen kann.“
    Ich mache mir bezüglich meines Aussehens nicht allzu viele Illusionen. Normalerweise mag ich mein Gesicht. Es ist ein gutes, freundliches Gesicht. Große blaue Augen, eine gerade Nase, hohe Wangenknochen und geschwungene, etwas zu schmal geratene Lippen. Ich bin der klassisch-unauffällige Frauentyp. Wenn ich mich zurechtmache, ziehe ich durchaus den Blick des einen oder anderen Mannes auf mich. Mein Pluspunkt ist mein Lachen. Genau jetzt komme ich mir allerdings richtig schön vor.
    „Das ist die Kunst“, erklärt mir Tina. „Man muss das Make-up nur gut in die Haut einarbeiten, dann sieht es natürlich aus.“
    „Kannst du nicht jeden Morgen mal kurz bei mir vorbeischauen?“, frage ich hoffnungsvoll.
    Tina lacht. „Die Bitte habe ich schon öfter zu hören bekommen.“
    Frau Bogners Kopf taucht im Türrahmen auf. „Sind Sie so weit?“
    Tina nickt.
    Ich widerstehe dem Impuls, Nein zu schreien, stattdessen stehe ich auf.
    „Gut, dann wollen wir mal los. Im Studio warten sie schon auf uns. Sie sehen hübsch aus, wenn ich Ihnen das sagen darf.“ Alina Bogner lächelt. Genau in diesem Moment ist sie für mich die sympathischste Frau, die ich kenne.
    Und hier bin ich: Julia Zoe Löhmer, in wenigen Augenblicken auf Sendung. Ein plötzliches Hochgefühl überkommt mich. Ich meine, was kann schon passieren. Ich sehe gut aus, und Andreas Neumann wird mir gegenübersitzen. Ein freudiges Kribbeln breitet sich in meinem Bauch aus.
    „Toi, toi, toi“, ruft mir Tina hinterher. Sie hält den Daumen hoch.
     
     
    Das waren die schlimmsten dreißig Minuten meines Lebens!
    Ich muss hier raus!
    Völlig kopflos stolpere ich aus der Garderobe in Richtung Ausgang. Noch zehn Schritte, und ich habe es geschafft. Nie wieder werde ich einen Fuß in ein Studio setzen. Nie wieder werde ich Judith Adlhoch um ihren Job beneiden. Und nie wieder werde ich mich über einen Moderator lustig machen, der sich verspricht! Ich schwöre!
    Ich hatte ja keine Ahnung, wie schrecklich es ist, von Menschen umringt zu sein, die einen erwartungsvoll anstarren, und dabei noch in der Lage sein zu müssen, irgendetwas Intelligentes von sich zu geben. Und dass dieses Scheißmikrofon immer an ist, ahnt doch keiner.
    Oh mein

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