Changelings
von Yanas schmerzerfülltem Geköchel unterbrochen.
»Ah, Kodein!« Triumphierend hielt Namid Mendeley eine Flasche hoch; dann aber überschattete der Zweifel seine Miene. »Aber wieviel?«
Marmion streckte die Hand nach der Flasche aus und musterte sie.
»Spray!« sagte sie gebieterisch. Als sie auch dieses bekommen hatte, füllte sie die Sprayflasche und besprühte Yanas Kehle mit der Droge.
Wie von Zauberhand - so kam es jedenfalls allen in dem kleinen Raum vor - endete der Krampf, und Yana preßte sich erschöpft gegen Bunny.
»Und schauen Sie hier - ein Kräuterbalsam vielleicht?« Mendeley reichte ihn Marmion, die auch dieses Etikett betrachtete.
Sie brach das Siegel, öffnete die Flasche und gab sie an Yana weiter.
Diese nahm die dicke Flüssigkeit ein und ließ sie sich durch die Kehle rinnen, wo sie sich beruhigend ausbreitete. Dann versiegelte Yana die Flasche und drückte sie an sich, während ihre Lungen Schwerarbeit leisteten, um den durch den Hustenanfall entstandenen Sauerstoffverlust auszugleichen.
Dinah O'Neill wies mit einem Fingerschnippen auf Marmion, die noch immer die Sprühflasche und das Kodein in der Hand hielt.
Marmion gab sie zurück.
»Und?« fragte Marmion die Freibeuterin in vielsagendem Tonfall.
»Was nun?«
»Können Sie gehen, Oberst?« fragte Dinah und blickte auf Yana hinunter.
»Wenn ein Spaziergang bedeutet, daß wir diesem Unfug früher ein Ende setzen können, werde ich es tun.«
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»Stets die tapfere Obristin«, versetzte Dinah und strahlte sie an.
»Ich bewundere Ihre Entschlußkraft und Unbeugsamkeit.«
»Danke«, sagte Yana und atmete matt aus. Der Hustenanfall hatte sie viel Kraft gekostet, doch durfte sie sich nicht anmerken lassen, wieviel.
»Gut. Dann wird Megenda, der Erste Maat, Sie zur Kapitänskabine begleiten. Mich rufen andere Pflichten.«
»Und Macci?« fragte Marmion in der Hoffnung auf eine Antwort.
»Also, das wäre doch wohl zu viel verraten, nicht wahr?«
versetzte Dinah in leise tadelndem Tonfall und ging davon. Der Doktor der Astronomie folgte ihr, und schließlich erschien eine noch größere Gestalt in der Lukenöffnung.
Der Erste Maat Megenda war ein riesiger, muskulöser Schwarzer, der wahrscheinlich vor allem deshalb als Pirat-Freibeuter geendet war, weil er dieser Rolle äußerlich so durch und durch zu entsprechen schien. Bei einem seiner Augen handelte es sich um ein Cyberimplantat, was nur um eine Spur weniger grotesk wirkte als eine Augenklappe. Die Ärmel seines orangefarbenen Einteilers hatte er abgeschnitten; darunter trug er ein gestreiftes Wollhemd, und um den kahlgeschorenen Schädel ein mit Blumenmuster verziertes rotes Kopftuch. Also wirklich, dachte Yana, dankbar jede Ablenkung aufgreifend, der Mann hat entschieden zu viele Piraten-Holos gesehen!
Herrisch bedeutete er ihnen zu folgen, und ein ebenso großer und bedrohlich aussehender Bursche, nur von olivgrüner statt schwarzer Hautfarbe, schloß hinter Diego auf, der ihre Gefängniszelle als letzter verlassen hatte. Yana schaffte einen weiteren Schluck von dem Trinkbalsam, denn schon der bloße Akt des Aufstehens hatte den Hustenreiz wieder zum Leben erweckt. Dann wurden sie durch einen endlosen Gang nach dem nächsten geführt, vorbei an Vorratshallen und Reparaturbuchten, wie auch an Anlagen, die nach Gefechtsstationen und Cyberschlafeinrichtungen aussahen; an einer Lagerbucht nach der nächsten vorüber. Yana hätte schwören können, daß sie an einigen Buchten gleich mehrmals vorbeikamen. Sie gingen und gingen, bis Yana die Füße zu schmerzen begannen und
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der Husten nicht mehr aufhören wollte, doch ihre Aufseher führten sie unbeeindruckt durch immer weitere Gänge. Augenscheinlich kontrollierte der Kapitän das Geschehen auf dem Schiff zum größten Teil per Fernsteuerung, denn sein Quartier schien in der Tat außerordentlich schwer zu erreichen zu sein. Die meisten Befehle, die nicht über Computer hereinkamen, wurden wahrscheinlich von O'Neill und dem Ersten Maat übermittelt.
Doch verglichen mit dem Kapitän sah der Erste Maat noch ausgesprochen normal aus. Die Kabine, in die Megenda sie nun führte, wirkte höchst theatralisch: die Nachahmung der üppig ausgestatteten Kapitänskajüte eines alten Segelschiffes, mit reichlich kostbaren Tuchen, Hartkopien von Navigationskarten, antiken Kompassen, Sextanten sowie Gegenständen, die im Weltraum kaum zu irgend etwas zu gebrauchen waren; dazu eine Computerkonsole und diverse andere
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