Charles Dickens
Geschichte bestellt hatte. Doch der verhielt sich so undiplomatisch, dass Dolby auf Dickens’ Weisung hin das Werk zum vereinbarten Honorar von 1000 Pfund an Fields übergab, der es in drei Teilen in
The Atlantic Monthly
herausbrachte. In England erschien die Geschichte, ebenfalls in drei Fortsetzungen, im Februar 1867 in Dickens’ Zeitschrift
All the Year Round
.
Während Dolby noch in Amerika das Terrain sondierte, war Dickens bereits damit beschäftigt, mögliche Steine des Anstoßes aus dem Wege zu räumen. So mäßigte er bei der Vorbereitung der Neuausgabe seiner Werke im Rahmen der
Charles Dickens Edition
seine Amerika-Kritik in
Martin Chuzzlewit
und
American Notes
. Damit war der Boden für einen ungetrübten Siegeszug durch die USA bereitet. Nach Dolbys Rückkehr machte er sich mit gewohnter Effizienz an die Vorbereitung der Tour, zu der er am 9. November aufbrechen sollte. Vorher musste er aber noch die Weihnachtsnummer seiner Zeitschrift unter Dach und Fach bringen, auf die er trotz des Zeitdrucks nicht verzichten wollte. Diesmal wurde ihm ein Teil der Arbeit von Wilkie Collins abgenommen, mit dem zusammen er die Geschichte
No Thoroughfare (Sackgasse)
schrieb. Obwohl sie nur zum Teil von Dickens stammt und schon deshalb nicht zu seinen Hauptwerken gezählt werden kann, sind ihre Motive so charakteristisch für sein Denken, dass auch sie ein eigenes Werkkapitel verdient.
Dickens überquert den Kanal. Französische Karikatur (1868).
Sackgasse
(mit Wilkie Collins)
Diese Erzählung liest sich wie das Drehbuch zu einem Kriminalfilm. Auch Dickens’ große Romane haben etwas Filmisches; denn sie bestehen aus aufeinanderfolgenden, atmosphärisch aufgeladenen Szenen, die aus kurzer Distanz erzählt werden. Doch in diesem Fall wird der Filmcharakter noch dadurch verstärkt, dass die Geschichte wie ein Drama in vier Akte gegliedert ist und anfangs sogar im Präsens erzählt wird, bevor sie ins epische Präteritum übergeht.
Dem ersten Akt geht ein ausdrücklich als «Ouvertüre» bezeichneter Vorspann voraus, der aus zwei Szenen besteht. In der ersten, datiert auf das Jahr 1835, wird gezeigt, wie eine Dame eine Pflegerin des Findelhauses anspricht und sie nach dem Namen eines Kindes fragt, das dort an einem bestimmten Tag abgegeben wurde. Die Antwort ist: «Walter Wilding». In der zweiten Szene, datiert auf 1847, sieht der Leser im Speisesaal des Findelhauses eine Dame, die eine Bedienstete bittet, ihr durch ein Handzeichen zu zeigen, wer von den am Tisch sitzenden Findelkindern Walter Wilding ist. Danach folgt die eigentliche Handlung.
Die Dame, die in den beiden Szenen auftrat, ist die Mutter des Kindes, das im Waisenhaus den Namen Walter Wilding erhielt. Als sie später eine beträchtliche Erbschaft macht, holt sie das Kind dieses Namens zurück und macht aus ihm den Eigentümer einer Weinhandlung. Doch dann erfährt Walter von der Pflegerin, von der seine Mutter einst seinen Namen erfahren hatte und die sich jetzt bei ihm als Haushälterin bewirbt, dass er gar nicht der richtige Walter Wilding ist. Der wurde kurz nach seiner Einlieferung unter einem anderen Namen von einem Schweizer Ehepaar adoptiert, worauf das Findelhaus den freiwerdenden Namen an ein anderes eingeliefertes Baby übertrug. Walter macht es sich nun zur Aufgabe, den wahren Erben seines Besitzes ausfindig zu machen und ihm die Firma zu übergeben.
Im Fortgang der Handlung stirbt Walter schon bald und die Firma wird von seinem Partner George Vendale weitergeführt. Der verliebt sich in die noch minderjährige Schweizerin Marguerite, die unter derVormundschaft ihres Onkels Jules Obenreizer steht, der in London einen Schweizer Weinexporteur vertritt. Obenreizer ist zunächst gegen eine Verbindung, willigt dann aber doch ein. Kurz darauf kommen im Kontor der Weinhandlung Zweifel an der Abrechnung einer größeren Weinlieferung aus der Schweiz auf, und Vendale macht sich in Begleitung Obenreizers auf den Weg in die Schweiz und weiter nach Mailand, dem zweiten Sitz der Firma, um den Fall zu klären. Die Abrechnungsbelege, die Vendale bei sich trägt, würden beweisen, das Obenreizer Geld unterschlagen hat, weshalb dieser zunächst versucht, die Dokumente in seinen Besitz zu bringen. Als ihm dies nicht gelingt, stößt er Vendale bei der Überquerung des Simplonpasses während eines Schneesturms von einem Bergpfad in die Tiefe. Doch Vendale wird gerettet, weil Marguerite in Begleitung eines Angestellten der Weinhandlung dem Geliebten
Weitere Kostenlose Bücher