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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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beschädigter Reputation ein kärgliches Dasein fristen, das ihm nur durch Unterstützung seitens des jungen Paares ein wenig erträglicher gemacht wurde.
    Da Silvermans Leben in einem Kellerloch beginnt, in dessen Beschreibung unverkennbar Dickens’ Erinnerung an die Schuhwichsfabrik nachklingt, drängt sich die Vermutung auf, dass er hier seinen eigenen geschäftstüchtigen Eigennutz zu rechtfertigen sucht. Zwei andere Aspekte der Geschichte sind ebenfalls charakteristisch. Zum einen kommt in der Beschreibung der Ruine von Hoghton Tower seine Aversion gegenüber historischer Nostalgie und romantischer Mittelalterverehrung zum Ausdruck, zum anderen zeigt er in der Figur des Sektenpredigers und seines Anhangs seine ganze Verachtung für heuchlerische Frömmelei. Dieser Mr. Hawkyard hat nicht einmal den komischen Reiz, den der ölige Mr. Pecksniff in
Martin Chuzzlewit
und die anderen Frömmler in seinen Werken noch hatten. Am typischsten muss aber einem Kenner von Dickens’ Werken die Symbolik der Geschichte erscheinen: Die Bildfolge, die die Handlung begleitet, beginnt mit Silvermans Gefangenschaft in dem Kellerloch, geht über in das Bild der Ruine und endet am Meer, wo in Silverman der Entschluss reift, die Liebe des jungen Paars, das heißt Adelines Emanzipation von der Dominanz der Mutter, zu unterstützen. Selbst das Erbschaftsmotiv klingt an, auch wenn es nicht in Handlung umgesetzt wird.
    Als Dickens die Geschichte schrieb, hatte er für sie bereits einen Abnehmer in Amerika. Benjamin Wood, der Herausgeber der
New York Daily News
, hatte ihn um einen Beitrag gebeten, der den Umfang der acht Jahre zuvor im
New York Ledger
erschienenen Erzählung
Hunted Down
haben und ebenfalls mit 1000 Pfund honoriert werden sollte. Etwa um die gleiche Zeit bemühte sich auch der Verlag Ticknor & Fields aus Boston darum, für sein Jugendmagazin
Our Young Folk
eine Geschichte des berühmten Briten zu bekommen. Dickens war dazu schnell bereit, da er James Fields, den Seniorpartner des Verlags, seit langem kannte und ihm freundschaftlich verbunden war. Fields hatte den Dichter bereits während dessen erster Amerikareise kennengelernt und ihn später 1859 in Gad’s Hill besucht. Außerdem hatte sein Verlag trotz fehlender Copyright-Verpflichtung ein stattliches Honorar für die Herausgabe der
Diamond Edition
von Dickens’ Werken überwiesen.
    So schrieb Dickens nun auch für das Jugendmagazin einen Beitrag. Unter dem Titel
A Holiday Romance (Eine Ferienromanze)
lässt er vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen im Alter von acht bis zehn Jahren, je eine Geschichte erzählen. Als Spezialist für leidende Kinderin Romanen begab er sich hier auf ein ungewohntes Feld: Jetzt musste er munteren Kindern die Erzählerrolle zuweisen, wobei eines der Mädchen in der vierten Erzählung sogar die Rollen umkehrt; denn darin geht es um eine Utopie, in der die Kinder die Herrschaft haben und die Erwachsenen von ihnen wie Kinder behandelt werden. Die Erzählung hat einen gewissen Reiz, doch in den Kanon der Weltliteratur für Kinder ist sie nicht eingegangen. Dies verwundert nicht, wenn man sich daran erinnert, dass ein Jahr zuvor Lewis Carroll (alias Charles Lutwidge Dodgson) seine unsterbliche
Alice im Wunderland
herausgebracht hatte. Diesem Mathematikprofessor war es auf geniale Weise gelungen, die naive Logik des kindlichen Denkens gegen die der Erwachsenen auszuspielen, ohne dass man dabei das Gefühl hat, dass ein Erwachsener von oben herab mit Kindern spielt. Bei Dickens imitieren Kinder Erwachsene, was der Erzählung etwas Parodistisches gibt.
    Der Verlag Ticknor & Fields wollte sich nicht damit begnügen, Dickens in Amerika zu publizieren; er versuchte darüber hinaus den Dichter für eine Lesetour durch die USA zu gewinnen. Mit dem Gedanken daran hatte Dickens bereits Ende 1858 gespielt, doch damals wollte er sich nicht für so lange Zeit von Nelly trennen. Dann brach 1861 der amerikanische Bürgerkrieg aus, der eine Lesereise unmöglich machte. Jetzt aber war der Krieg vorbei und der einstige Groll der Amerikaner über Dickens’
Notizen aus Amerika
vergessen. Das alles machte es Dickens leicht, das Angebot von 10.000 Pfund Voraushonorar für eine Lesetour anzunehmen. Kaum war diese Entscheidung gefallen, reiste Dolby, Dickens’ treuer Manager, Anfang August über den Atlantik, um die Route zu planen und die näheren Konditionen auszuhandeln. Im Gepäck hatte er
George Silverman’s Explanation
für Benjamin Wood, der die

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