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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Sie schaute hinunter auf den Zigarillo, der ausgegangen war.
    »Vielleicht wäre sie gern eine reiche Ehefrau geworden, mit einem eigenen Pferd für Charlotte?«
    »Sie hat sich für mich entschieden«, entgegnete Leonoor Brasma.
    »Verstehe ich Sie richtig, dass Runing nichts von Ihrem Verhältnis mit Eis wusste?«
    »Stimmt. Für ihn war ich nur eine Freundin, mit der sie die Wohnung teilte.«
    »Ich vermute, damit wollten Sie sich alle Möglichkeiten offen halten, oder?«
    Sie rieb über ihr Buch und legte es neben ihren Stuhl auf das vor Urzeiten gelb gestrichene Deck. »Ich dachte, Sie wollten wissen, ob Charlotte Runings Tochter ist«, sagte sie. »Wenn Sie der Geburtsurkunde nicht trauen, dann sollen die doch einen Vaterschaftstest durchführen lassen, wir sind da ganz kooperativ.«
    »Haben Sie Otto Runing gekannt?«
    »Natürlich, aber ich bin meistens ins Kino gegangen, wenn er Eis in unserer Wohnung besuchte. Wenn er über Nacht blieb, bin ich absichtlich spät nach Hause gekommen und still und leise im Gästezimmer verschwunden.«
    »Sind Sie sicher, dass er sie weiterhin besuchte, nachdem man ihr gekündigt hatte?«
    »Man hat ihr nicht gekündigt, sie hat gekündigt, das ist ein Unterschied. Sie waren beide der Meinung, dass es das Beste sei. Otto kam regelmäßig. Auch als Eis schwanger war und noch nach der Geburt. Er hat sie unterstützt, damit sie nicht mehr zu arbeiten brauchte.«
    »Finanziell?«
    »Ja. Das war ein Leichtes für ihn.«
    »Gibt es Beweise dafür? Kontoauszüge?«
    Sie machte ein pikiertes Gesicht. »Er zahlte immer bar, fünfhundert Gulden, tausend Gulden, wie es ihm in den Sinn kam oder wie sie es brauchte, für einen Kinderwagen, Kleidchen für das Kleine und so weiter.«
    »Haben Sie damals auch gearbeitet?«
    »Natürlich. Ich brauchte sein Geld nicht.«
    »Was für einen Beruf haben Sie ausgeübt?«
    »Sekretärin. Genau wie Eis. Nur hatte ich nichts mit dem Chef.« Ein wenig verbittert.
    »Wann sind Sie hierher gezogen?«

»In demselben Jahr noch, wir wollten beide weg. Das Boot gehörte Eis’ Schwester, sie wollte es eigentlich verkaufen, aber das einzig Wertvolle daran war der Liegeplatz. Eis hat fünfzehntausend Gulden dafür bezahlt, alles was sie von Ottos Geld übrig hatte. Wir haben es selbst renoviert.«
    Ich schaute mich um. Viel Geld konnten sie nicht hineingesteckt haben. »Wusste Otto von dem Boot?«
    »Nein, wir drei sind aus seinem Leben verschwunden.«
    »Warum?«
    »Weil sich herausstellte, dass wir von ihm nichts mehr zu erwarten hatten.«
    Ich warf einen Blick auf meine Notizen und fragte: »Wie ist Elisabeth gestorben?«
    »Sie ist ertrunken.«
    »Wie konnte das geschehen?«
    Leonoors Gesicht verdüsterte sich. »Ich bin in gewisser Weise mit schuld daran. Wir hatten Streit, sie war wütend und ruderte mit dem Boot auf den Fluss hinaus. Es war sehr windig, vielleicht ist sie über Bord gefallen. Sie konnte nicht schwimmen.«
    Ich schaute über die Reling auf das alte Ruderboot, eingeklemmt zwischen dem hinteren Ende des Schiffes und dem sumpfigen Ufer. Ein Ruder lag über den Bänken und auf dem Boden stand zehn Zentimeter hoch das Wasser. »Eine Niederländerin, die nicht schwimmen kann?«
    »Ich habe sie jedenfalls nie schwimmen sehen. Wie dem auch sei, sie ist ertrunken. Ich habe mir das kleine Motorboot der Nachbarn ausgeliehen und bin ihr hinterher gefahren, aber als ich unser Boot fand, war Eis verschwunden. Ich habe eine halbe Stunde lang auf dem Wasser nach ihr gesucht. Später an diesem Tag hat man sie gefunden.«
    Wir schwiegen eine Weile. »Es tut mir Leid«, sagte ich.
    »Eis war mein Leben.« Sie blinzelte mit den Augen. »Jetzt habe ich nur noch Charlotte.«
    »Kann es Selbstmord gewesen sein?«
    Sie nahm sich zusammen. »Das glaube ich nicht. Es war ein Unfall.«
    »Worum ging es bei dem Streit?«
    »Ach, Streitigkeiten gibt es in allen Familien. Ich weiß es nicht mehr.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es fällt mir schwer, das zu glauben. Schließlich war es der letzte Streit, den sie mit ihr hatten.«
    »Okay.« Sie biss sich auf die Lippen. Ihre Augen blieben kalt, auch während dieses kurzen Moments. »Bei dem Streit ging es um unsere Geldsorgen. Eis war der Meinung, es würde Zeit, sich bei Charlottes Vater zu melden. Ich wollte nichts davon wissen, es hätte das Ende unserer Familie bedeutet, und wir hatten uns geschworen, dass wir das nie tun würden.«
    Ich dachte bei mir, dass Leonoor die Beziehung zwischen Eis und Otto anscheinend

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