Charlotte
Absicht, das Testament anzufechten, die Firma läuft vorläufig weiter und die Erbschaftssteuer muss so oder so bezahlt werden. Die Einzigen, die sich gedulden müssen, sind die Vermächtnisnehmer.«
»Gibt es auch ein Legat für Elisabeth Bonnette?«
»Nein. Das wäre Otto wohl kaum in den Sinn gekommen. Mich hat er sehr großzügig bedacht und dazu noch einige andere Mitarbeiter der Firma, seinen Chauffeur und das Hauspersonal.«
»Und dieser van Zon vertritt nur das Mädchen?«
»Ja. Charlotte Bonnette.«
Ich schwieg einen Moment. »Heleen Runing meint, es sei ein Erpressungsversuch.«
»Der Verdacht ist durchaus berechtigt.«
»Ein achtzehnjähriges Mädchen?«
»Warum nicht?«
»Was ist, wenn sie wirklich glaubt, dass Runing ihr Vater war? Ein achtzehnjähriges Mädchen begegnet zum ersten Mal in seinem Leben seinem Vater. Das muss doch ein sehr emotionales Erlebnis gewesen sein. Einige Tage später liest sie in der Zeitung, dass ihr Vater ermordet wurde – sicher ein harter Schlag für sie.«
»Was willst du damit sagen?«
»Es geht mir nicht in den Kopf, dass ein so junges Mädchen daraufhin schnurstracks zu einem Anwalt rennt und ihr Erbteil fordert. Dann müsste sie schon sehr kalt und berechnend sein.« Ich runzelte die Stirn. »War ihre Mutter je verheiratet?«
Van Loon verzog das Gesicht. »Otto sagte, sie habe mit einer Frau zusammengelebt. Offenbar war Elisabeth bisexuell.«
»Hast du Elisabeth gekannt?«
»Natürlich. Ich bin seit fünfundzwanzig Jahren in der Firma. Sie war eine sehr gute Sekretärin, äußerst attraktiv und ein richtiger Schatz noch dazu. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie Otto durcheinander brachte.«
»Wusstest du, dass die beiden ein Verhältnis hatten?«
»Ja, soweit ich weiß, war ich der Einzige in der Firma. Sie waren vorsichtig.«
»War je die Rede davon, dass Otto sich scheiden lassen wollte?«
Van Loon schüttelte den Kopf. »Otto liebte seine Familie über alles, sie stand bei ihm immer an erster Stelle. Elisabeth war meiner Meinung nach hauptsächlich eine Art Ventil.«
Ich dachte an Heleen Runing. » In sexueller Hinsicht?«
Van Loon zögerte. »Nichts gegen Heleen, ich mag sie sehr gern, aber sie war schon immer eher vernunftbetont als leidenschaftlich. Dazu kam noch, dass beide Schwangerschaften äußerst problematisch verlaufen sind. Sie grübelte viel und verbrachte die halbe Zeit im Bett oder auf dem Sofa.«
Wir schwiegen einen Augenblick. »Warum hat dieses Mädchen achtzehn Jahre lang gewartet, bevor sie Kontakt zu ihrem Vater aufnahm?«, fragte ich dann.
»Otto sagte, sie habe nicht gewusst, wer ihr Vater war. Diese andere Frau hat es ihr wohl erst nach Elisabeths Tod erzählt.«
»Weißt du etwas darüber, wie sie ertrunken ist?«
»Nein, nur wann es passiert ist, es geht aus der Forderung hervor.«
»Und was weißt du über diese andere Dame?«
»Nichts, noch nicht einmal ihren Namen.« Van Loon kniff die Augen zusammen, als fiele ihm plötzlich etwas ein. »Otto hat mit Jennifer, seiner ältesten Tochter, über alles geredet. Sie studiert Medizin. Vielleicht kann sie dir weiterhelfen.«
Er zog ein Blatt Papier zu sich hin und schrieb eine Telefonnummer auf. »Sie hat allerdings im Moment Semesterferien. Wenn sie nicht in Culemborg ist, kann sie sich sonst wo aufhalten.«
»Ich werde sie schon finden.«
»Ich hoffe für die Seelenruhe aller, dass du schnell herausfindest, was hier eigentlich los ist.«
Ich rief CyberNel an. »Hallo Schatz, wie geht es Hanna?«
Sie kicherte ins Telefon. »Sie sagt, dass sie so einen Tag ohne dich mal ganz erholsam findet.«
»Kleinkinder sind von Natur aus Lügner.«
»Meins nicht, außerdem ist sie noch kein Kleinkind, sie kann ja noch nicht mal krabbeln. Corrie geht mit ihr auf dem Deich spazieren. Lohnt sich der Fall?«
»Er hält mich eine Weile vom Windelwechseln ab. Könntest du inzwischen schon mal beim Rathaus in Utrecht etwas überprüfen? Charlotte Elisabeth Leonora Bonnette, geboren am 24. Mai 1984 in Utrecht.«
»Drei Vornamen, ganz schön viel.«
»Stimmt.« Falls das Mädchen die Vornamen beider Mütter trug, musste die andere Charlotte heißen, oder Leonora. »Versuche herauszufinden, ob eine Vaterschaftsanerkennung erfolgt ist, auf den Namen Otto Runing.« Ich überflog van Loons Notizen. »Dabei könntest du auch gleich nachschauen, welche Personen damals unter der Adresse Wolfsdreef 214 in Utrecht gemeldet waren. Hast du mitgeschrieben?«
»Bin noch
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