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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Stammgast war. Wie gewöhnlich hatte er vorher ein Zimmer reserviert. Er hatte bei Jagdkameraden gegessen und war mit ihnen zu einem Bingoabend des Jagdvereins gegangen, wo er ein Kaninchen und eine Kiste mit sechs Flaschen St. Emilion gewonnen hatte.
    »Du kennst Runings Firma und brauchtest dort nur unter einem falschen Namen wegen eines Termins oder mit irgendeiner anderen Ausrede anzurufen. Die Sekretärin hätte dir erzählt, dass Runing an diesem Nachmittag eine Verabredung zum Golfspielen hatte, schließlich war das kein Geheimnis.«
    »Die Geschichte hat man mir schon mal vorgehalten. Wer bist du, der Staatsanwalt?«
    »Ich versuche, dir zu helfen.«
    »Dann erklär denen, dass jeder die Sekretärin angerufen haben könnte.«
    »Aber nicht jeder hätte gewusst, wo Runing Golf spielen ging.«
    Ich achtete auf seinen Gesichtsausdruck.
    Ein Funken Unsicherheit, nicht größer als ein Stecknadelkopf, blitzte in seinen Augen auf und war sofort wieder verschwunden.
    »Der Golfplatz in Heelsum.«
    »Sagt mir nichts.«
    »Das ist der mit den Fußballfeldern.«
    Er seufzte. »Kann schon sein. Sind wir fertig?«
    Es kommt häufig vor, dass Verdächtige anfangs lügen und sich später halsstarrig in ihre Version verrennen, weil sie befürchten, auch ihre übrige Geschichte klänge unglaubwürdig, wenn sie es zugäben. Molenaar hatte bei seinem ersten Verhör geschworen, noch nie etwas von dem Golfplatz in Heelsum gehört zu haben, und konnte davon nicht mehr abrücken.
    Ich beschloss, es auf einem anderen Weg zu versuchen. »Die Polizei glaubt, dass du Runing gefolgt bist, seit es dir in der Tiefgarage nicht gelang, ihn umzubringen, weil der Chauffeur eingriff. Was sollte das eigentlich?«
    »Das mit dem Chauffeur?«
    »Wir sind hier nicht in einer Quizsendung.«
    »Runing hatte noch eine Tracht Prügel von mir gut.«
    »Wegen deiner Mutter?«
    Molenaar biss die Zähne zusammen. »Meine Mutter wollen wir mal beiseite lassen.«
    »Aber um sie dreht sich alles«, entgegnete ich. »Dein Motiv heißt Rache.«
    »Ich habe ihm ein blaues Auge gehauen. Wenn der Chauffeur nicht gewesen wäre, hätte ich ihm auch noch die Beine gebrochen.«
    Molenaar verschob das Knie unter seinem gefesselten Handgelenk. Er saß in einer unbequemen Haltung. Ich dachte nach und beobachtete die Fliege an dem Fenster, das sich nicht öffnen ließ. Fliegen haben kein Bewusstsein, sie sind einfach nur da.
    Nirgendwo in den Berichten stand, ob man Runings Sekretärin oder die Telefonistin nach verdächtigen Anrufen gefragt hatte.
    Die Polizei ging einfach davon aus, dass Molenaar seinem Opfer zum Golfplatz gefolgt war. Das machte den Mord vorsätzlich, denn er hätte sein Gewehr im Auto bei sich haben müssen, bereit, es bei der ersten Gelegenheit zu benutzen. Wie dem auch sei, es war auf jeden Fall vorsätzlicher Mord gewesen, sämtliche Indizien wiesen darauf hin.
    Mir fiel ein, dass ohne diese dumme Attacke im Parkhaus kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, Molenaar als Mörder zu verdächtigen.
    »Ich glaube, du wusstest ganz genau, wo dieser Golfplatz lag«, sagte ich wie nebenbei.
    »Es war ein Foto davon in der Zeitung.«
    »Du spielst nicht Golf.«
    »Ist das eine Frage?«
    »Fußball?«
    »Vor langer Zeit, in einer Soldatenmannschaft.« Das kam recht flott heraus, als habe er seit meiner Bemerkung über die Fußballfelder mit dieser Frage gerechnet.
    »Du siehst aus wie ein guter Torwart.«
    »Ist das ein Berufseignungstest?«
    Ich spürte eine unterschwellige Nervosität und fragte: »Hast du damals auch bei den Turnieren mitgespielt?«
    »Welchen Turnieren?«
    »Na, den Samstagsturnieren des Niederländischen Fußballverbands.«
    »Die Jagd ist mir lieber.«
    »Das war nicht meine Frage.«
    »Was macht das schon aus, was ich in meiner Freizeit tue?«
    »Heißt das ja oder nein?«
    »In den Niederlanden werden die Jagdmöglichkeiten immer mehr eingeschränkt, es sei denn, man ist Mitglied des Königshauses. Ich glaube, ich gehe nach Afrika.«
    Ich war nicht hier, um Spielchen zu spielen. Ich wusste, dass er wusste, dass ich es wusste. Vielleicht rechnete er damit, dass ich den Mund halten würde, schließlich arbeitete ich für seinen Rechtsanwalt. Ich wurde dafür bezahlt, Beweise für seine Unschuld zu finden.
    Die Fliege saß noch immer an Ort und Stelle. Sie lebte von Stäubchen auf dem Glas und dem säuerlichen Schweiß der Verdächtigen. Sie konnte nicht raus, es sei denn, sie hätte den Plan geschmiedet, auf meiner Schulter mit

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