Charlotte
die einzige Alternative.«
»Was dich erwartet, sind zwanzig Jahre ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Du könntest auch versuchen, dir selbst zu helfen, indem du mich meine Arbeit tun lässt.«
»Das hat der Gefängnispfarrer auch gesagt.«
»Trägst du immer Handschuhe beim Schießen?«
Sein Blick verriet nichts. »Ich habe keine festen Regeln.«
»Man hat Schmauchspuren auf einem Paar Handschuhe gefunden, die hinten in deinem Auto lagen. Der blaue Ford, nicht wahr?«
»Dann werde ich sie wohl mal getragen haben. Oder jemand anderer.«
»Die Polizei ist auch in Laroche gewesen.«
»Weiß ich. Ich habe dort mit Freunden ein bisschen auf dem Schießstand trainiert und war auf einem Bingoabend.«
»Trainiert. Mit der Mauser?«
»Was?«
»Mit der Mauser. Eine Präzisionswaffe, etwa von 1935. Die wurden damals praktisch alle in Herstal produziert, in Belgien.«
Er starrte mich an. »Wenn du die ganze Arbeit nochmal machen willst, brauchst du mich ja wohl nicht.« Er zog an seiner Handschelle und wies mit dem Kinn zur Tür. »Ich kann nicht, wenn du also so freundlich sein würdest, den Knopf zu drücken, damit ich wieder zurück in meine Zelle kann.«
»Einen Augenblick noch«, sagte ich. »Die Polizei glaubt, dass du die Mauser mit in die Ardennen genommen hast, um sie dort irgendwo loszuwerden. Du behauptest, sie sei dir gestohlen worden. Du musst zugeben, dass sich das dumm anhört.«
»In den ganzen Niederlanden regiert die Dummheit. Noch ein Grund mehr, in ein anderes Land zu gehen.«
»Nicht gerade hilfreich ist außerdem, dass du den Diebstahl nicht gemeldet hast.«
»Hast du schon mal irgendetwas zurückbekommen, indem du es bei der Polizei als gestohlen gemeldet hast?«
»Wurde bei dir eingebrochen? Oder ist sie dir irgendwo unterwegs aus der Tasche gefallen?«
Er verzog den Mund zu einem Lächeln. »Keine Ahnung. Ich bin häufig nicht zu Hause. Und in den Rucksack passt sie nicht.«
»Wo hast du das Gewehr aufbewahrt?«
»In einem Schrank im Schlafzimmer.«
»Geladen?«
Molenaar seufzte. »Nein, nicht geladen.«
»Und die Munition?«
»Auf einem Regal darüber.«
»Fehlten Kugeln?«
»Ich weiß es nicht.« Ein Anflug von Hilfsbereitschaft. »Eine Schachtel war angebrochen, aber ich weiß nicht, wie viel noch drin war.«
»Man hat nur deine Fingerabdrücke gefunden.«
»Dann hat derjenige Handschuhe getragen.«
Ich war froh, dass er endlich redete. »Besitzt du noch andere Waffen?«
»Eine Pistole. Mit Waffenschein.«
»Bewahrst du die auch in dem Schrank auf?«
»Nein, hinter den Büchern im Wohnzimmer.«
»Was für Bücher liest du so?«
Er fand die Frage unsinnig. »Joost van den Vondel, Freud, Nietzsche, Kierkegaard, Thoreau …«
»Schon gut.«
Spöttisch fügte er hinzu: »Cogito, ergo sum.«
»In diesem Fall könntest du vielleicht mal etwas mitdenken. Deine Angaben stimmen. Du bist in Laroche auf dem Schießstand gewesen, mit einer geliehenen Winchester, aber die Polizei hat jeden verhört und niemand hat dich Handschuhe tragen sehen. Wenn du sie dort nicht getragen hast, wie kommen dann die Schmauchspuren auf die Handschuhe in deinem Auto? Das ist garantiert eines von den Dingen, mit denen sie dich festnageln werden.«
»Fast wie bei der unbefleckten Empfängnis. Die begreift auch kein Mensch.«
»Und warum bist du eigentlich ausgerechnet am Morgen nach dem Mord nach Laroche aufgebrochen? Wenn du sowieso dorthin wolltest, wärst du besser einen Tag vorher gefahren.«
Er nickte spöttisch. »Das nächste Mal werde ich daran denken.«
»Wo parkst du dein Auto, wenn du zu Hause bist?«
»Auf der Straße.«
»Niemand hat es an dem Tag dort stehen sehen, ich meine an dem Tag, als Runing ermordet wurde.«
»Wieder Pech. Ich bin der Oberpechvogel.«
»Vielleicht ist der Richter ja so naiv, das zu glauben.«
Er wurde wütend. »Da ist immer alles zugeparkt, vor allem nachts. Ich bin spät nach Hause gekommen und habe den halben Tag verschlafen.«
Das alles stand in den Berichten. Molenaar war an dem Montag in einem Schwulenclub in Utrecht versackt und niemand hatte ihn bemerkt, als er seiner Aussage nach gegen vier Uhr morgens nach Hause kam. Er war bis zum Nachmittag im Bett geblieben und hatte den Rest des Tages im Fernsehen Fußball geschaut und seine Tasche gepackt. Er war früh schlafen gegangen, um am Mittwochmorgen schon um sechs Uhr in aller Ruhe in die Ardennen zu fahren. Dort war er gegen Mittag in einem kleinen Hotel in Laroche eingetroffen, wo er
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