Cheers, Baby!
Der Mann legte auf.
»Irgendein Mann möchte nicht ewig warten«, richtete Cate Marty aus. »Du bist wirklich ein Herzensbrecher.«
Marty Longfellow wohnte in einem Gebäude, in dem sich früher einmal eine Kleiderfabrik befunden hatte.
Das massive Haus aus roten Ziegeln war umgebaut worden und beherbergte nun auf vier Stockwerken mittelgroße Eigentumswohnungen mit jeweils zwei Schlaf- und zwei Badezimmern. Die Bewohner spiegelten die vielschichtige Bevölkerung wider, die für das Stadtviertel South End typisch war – junge Karriere typen, Schwule und ein paar vereinzelte Senioren.
Martys Wohnung lag auf der vierten Etage und wäre einen Artikel im Architektur und Design wert gewesen.
Der Teppich war aus weißem Plüsch, die Möbel aus schwarzem Leder und Chrom. An den Wänden hingen Originalkunstwerke. Der Kronleuchter war ein Prachtstück aus Muranoglas. Sehr schön. Und sehr teuer.
Cates kleines Zimmer im hinteren Teil der Wohnung war eher für einen Beitrag im Architektur und Trödel geeignet. Nach der Zahlung ihrer Studiengebühren, dem Kauf der nötigen Bücher und der symbolischen Begleichung ihrer Miete war nicht mehr viel Geld für die Inneneinrichtung übrig geblieben. Als Cate aus dem Haus ihrer Eltern ausgezogen war, hatte sie ihre gelb-weiß geblümte Steppdecke mitgenommen und sich dazu passende Bettlaken, Kissen, Handtücher und eine Badematte besorgt.
Cates Zimmer wirkte freundlich, war aber, gemessen an Martys Standard, nichts Großartiges. Auf Martys Bett lag ein Überwurf aus Nerzfell, und seine Bettwäsche war aus fein gewirktem Stoff. Cate war der Ansicht, dass er diesen Luxus verdiente. Immerhin musste sich der Mann jeden Tag von oben bis unten enthaaren. Außerdem trug er Feuchtigkeitscreme und Haarspülungen auf, hielt sich mit Training fit, zupfte sich die Augenbrauen, behandelte seine Haut mit Laserstrahlen und Peelings und spritzte Botox.
Es war später Vormittag, und Cate war allein in der Küche und glasierte einen Kuchen. Als wieder das Telefon klingelte, warf Cate einen misstrauischen Blick hinüber. Das Telefon klingelte jede Stunde – bisher schon dreimal. Und jedes Mal, wenn Cate sich gemeldet hatte, hatte der Anrufer aufgelegt. Sie nahm an, es war der Mann, der nicht mehr warten wollte.
Cate hob ab und meldete sich mit einem knappen »Hallo«.
»Meine Güte«, sagte Sharon Vizzalini. »Du klingst, als hättest du schlechte Laune.«
Cate hatte zwei gute Freundinnen im Haus. Sharon Vizzalini war eine davon. Sie war Immobilienmaklerin und wohnte im Stockwerk darunter in einer Wohnung, die mit Gegenständen aus ihrem früheren Leben vollgestopft war. Vor vier Jahren hatte Sharon ihren Mann mit heruntergelassener Hose in ihrem Minivan erwischt – mit dem Babysitter. Am nächsten Tag mietete Sharon einen Umzugswagen und parkte ihn vor ihrem Kolonialhaus mit den vier Schlafzimmern und vier Badezimmern in Newton. Als der Möbelwagen von oben bis unten vollgepackt war, fuhr Sharon damit ins South End von Boston, stellte ihn auf einem Parkplatz ab, ging ihre Immobilienliste durch und machte sich auf Wohnungssuche. Drei Wochen später zog sie in das Gebäude ein, in dem Marty wohnte.
Sharon war älter als Cate und acht Zentimeter kleiner.
Sie trug ihr schwarzes, lockiges Haar zu einem Bob geschnitten, war immer braun gebrannt, trainierte ihren Körper im örtlichen Pilates-Studio und besaß genug Energie, um starken Kaffee nervös zu machen.
Bei Möbelbezügen und Kleidung bevorzugte sie Tierdrucke. Als Accessoires trug sie riesige Klunker, und Turnschuhe hatten in ihrem Schrank nichts zu suchen. Sharon schwor auf Dolce & Gabbana und hochhackige Riemchensandalen. Selbst auf dem Weg zum Pilates-Studio trug sie Stöckelabsätze.
»Ich bin nicht schlecht gelaunt, ich war nur gerade in Gedanken«, erwiderte Cate. »Was gibt’s?«
»Ich habe gehofft, du würdest mir ein Sandwich bringen, da ich damit beschäftigt bin, 2B zu observieren. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Tag gekommen ist. Heute wird er endlich seine Wohnung verlassen und sich zeigen.«
Cate unterdrückte einen Seufzer. Sharon war von der fixen Idee besessen, sie müsse den mysteriösen Bewohner von 2B kennenlernen. Die Wohnung war vor drei Monaten von einer Holdinggesellschaft gekauft worden, und obwohl man hin und wieder Geräusche hörte und Essensgerüche durch die Türritzen drangen, hatte noch niemand den Mieter gesehen.
»Ich habe dich wirklich sehr gern, aber manchmal hörst du dich an, als
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