Cheng
um Sachlichkeit bemüht. Wahrscheinlich stand im Nebenzimmer die Balkontür offen. Und wie zur Beweisführung spürte er jetzt einen leichten Windzug, der bei dieser Sommerhitze allerdings wenig Erleichterung bot.
Er nahm wieder den Wertheimer zur Hand und zündete sich eine Zigarette an. Auch Batman war erwacht und starrte gebannt ins Nebenzimmer. Seine Augen folgten einer Bewegung, vielleicht der einer Fliege. Allerdings wäre er einer Fliege sofort nachgesprungen. Statt dessen ging er hinter Rans Unterschenkel in Deckung und fauchte, was Batman selten tat. Sein schwarzer Körper zuckte.
Ran, der über seinen Brillenrand und über den Buchrand auf Batman sah, hielt dessen Verhalten für eine Instinktbewegung, für ein Kampfspiel mit einem imaginären Gegner, den Batman nur nahe genug an sich herankommen lassen wollte.
Kaum wahrnehmbar bemerkte Ran einen Lichtpunkt, der über Wände und Gegenstände des Nebenzimmers flog. Er sah das sozusagen mit der äußersten seiner Augenkameras und war nicht im geringsten gewillt, sich verrückt machen zu lassen und gleich mit beiden Augen ins Nebenzimmer zu sehen, um schließlich ja doch nur etwas völlig Simples und in keiner Weise Bedrohliches festzustellen. Daß er dann doch hinübersah, fand er inkonsequent, lächerlich und völlig normal – so sind Menschen nun mal, dachte er. Allerdings war da wirklich ein Lichtpunkt, mal rasend, mal nervös auf der Stelle tretend. Ein leichter Schauer durchlief Ran, angenehm kühl, ein kleiner Schrecken, eine kleine Unsicherheit, getragen von der Gewißheit, daß nur ein Mangel an Information Horror produzieren kann.
Und dann kam auch schon die Erkenntnis. Ran bewegte sein Buch, und mit diesem bewegte sich der Lichtpunkt. Ran besah sich den Buchdeckel, von dessen Rand ein kleines Stück Schutzfolie abstand, welches das Licht seiner Leselampe reflektierte. Ran führte das Buch wie ein Lenkrad und ließ den Lichtpunkt durch den Wohnungskosmos schießen. Dann sah er zu Batman, überzeugt davon, die Katze folge konzentriert den Bewegungen des Lichtpunkts. Doch Batman starrte auf den Fußboden des Nebenzimmers, wobei sein Körper angstvoll rückwärts wanderte und am anderen Unterschenkel Rans auflief.
Einen Moment dachte Ran, Batman sei eine wirklich blöde Katze, aber natürlich sind Katzen niemals blöd, ganz im Unterschied zu Menschen, deren angeblicher Scharfsinn nicht selten von einer übermächtigen Begriffsstutzigkeit neutralisiert wird, so übermächtig, daß manche Menschen darin einen Gottesbeweis sehen wollen.
Endlich kapierte Ran, daß Batman nicht die Muster des Rivalenkampfes durchging, sondern schlichtweg Angst verspürte. Ran richtete sich mit der Bewegung später, aber eindringlicher Erkenntnis auf.
»Was hast du denn, alter Junge?« Und damit meinte er nicht nur Batman. Er strich ihm über das Fell. Der Katzenkörper war so hart, als wäre er ausgestopft.
Ran folgte dem unverändert starren Blick des Tieres. Und da sah er den länglichen Schatten, der leider weder an eine Stehlampe noch an einen Gummibaum oder eine Vitrine erinnerte, sondern an eine von Giacomettis dürren Figuren. Da Ran zu seinem Bedauern aber keine derartige Skulptur besaß und auch sonst nichts, was einen solchen Schatten hätte werfen können, war der Schluß nicht ganz von der Hand zu weisen, daß eine Person sich im Nebenzimmer befand, in jenem Teil, den zu überblicken Ran aus dem Bett hätte steigen müssen.
Das Bett ist nun wahrlich der ungünstigste Ort, um einen Angriff abzuwehren, sei der Angreifer nun ein Mörder, die eigene Frau oder der liebe Tod persönlich. Und dennoch treibt die Angst den Menschen ins Bett und dort unter die Bettdecke, was seinen Handlungsspielraum gefährlich einschränkt. Aber er will ja gar nicht handeln, sondern sich verstecken, am liebsten alles vergessen, nichts wissen von den Scheußlichkeiten, die sich außerhalb dieses Bettes abspielen. Viele Menschen, die sich im Bett einen Film zur Steigerung des inneren Spannungszustands angesehen haben, trauen sich nach dessen Ende nicht mehr aus dem Bett heraus, gerade so, als würde ein potentieller Mörder (der durch den soeben gesehenen Film immens an Wahrscheinlichkeit gewonnen hat) seinen Opfern prinzipiell nur im Schrank, in der Küche, unter dem Klavier etc. auflauern, aber ausgerechnet vor der Intimität gebrauchter Bettwäsche zurückschrecken.
Auch Ran, der jetzt mindestens so steif wie seine Katze war, gingen derartige Gedanken durch den Kopf. Als
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