Cheng
Sperrmüll, frierend trotz Hitze, und blickte auf die vom Mondlicht beschienene florale Kunstwelt.
Er hatte das Lachen wiedererkannt; es war dieselbe Frau gewesen, die ihn Stunden zuvor angerufen hatte. Was natürlich keinen Romanleser überrascht, sehr wohl aber Ran, der wie die meisten wirklichen Figuren unfähig war, sich andere Bedrohungen als die alltäglichen vorzustellen (während ein Romanleser, der ja als solcher wenig zu verlieren hat, leichten Herzens alles Fatale, Abartige und Bösartige begrüßt und auch verlangt).
Als Ran nun allein auf dem Balkon stand, im Rücken die Sicherheit einer hell erleuchteten Wohnung, vor sich den menschenleeren und von jeder Natur verlassenen Garten, kam er nicht umhin, darüber nachzudenken, wer einen Grund haben könnte, ihm einen derartigen Schrecken einzujagen. Wie in solchen Geschichten üblich, fiel ihm natürlich die eine oder andere Entgleisung ein, aber beim besten Willen nichts, was eine derartige Handlung gerechtfertigt hätte.
2
Natürlich waren alle gekommen. Jedes Jahr im August gab der Leiter des Instituts, der allseits beliebte Professor Edlinger – dank Television selbst jenen bekannt, die in der Gosse der Bildungsarmut schmorten –, eine Party, die keinem geringeren Anlaß diente, als die Beliebtheit Edlingers unter Beweis zu stellen.
Ganz zwanglos, meine Herrschaften, ganz zwanglos, betonte der Professor Jahr für Jahr, denn er sah sich gerne leger. Und tatsächlich trug er nie eine Krawatte, selbst wenn ihn der Bundespräsident empfing. Selbstverständlich empfing der Bundespräsident dann nicht irgendeinen dahergelaufenen tagespolitischen Furz, sondern einen großen Denker und Forscher. Und ab einer bestimmten Größe des Denkens und Forschens störte es nicht einmal mehr den Bundespräsidenten (dessen Pedanterie in Sachen äußere Form der untertänigen Erscheinung ja gefürchtet war), daß einer nicht nur ohne Krawatte erschien, sondern auch in einem Anzug, dessen meistbelastete Stellen an die Fettaugen in Rindsuppen erinnerten. Das Recht auf ein zwangloses Erscheinungsbild besaßen eben nur noch die wirklich großen Denker sowie Leute, die man nicht einmal mehr ins Arbeitsamt hineinließ.
Wer nun gezwungen ist, zwischen diesen Extremen irgendeine mediokre Identität zu suchen, hat zumeist einen guten Grund, seinen Hang zu bohemehafter oder gar gedankenloser Vernachlässigung der äußeren Form hintanzuhalten. Weshalb auf Edlingers Partys Edlinger selbst der einzige blieb, dessen Anblick höhere Zwanglosigkeit verriet. Und damit auch der einzige, der in einem optischen Widerspruch stand zum glanzvollen Rahmen der eigenen Veranstaltung.
Das, was Edlinger Jahr für Jahr hartnäckig als »meine kleine Party« bezeichnete, war ein Zweihundert-Personen-Fest im Garten seiner Hietzinger Villa. Wofür Edlinger natürlich in keiner Weise verantwortlich war – er war ja ein bekannter Gegner von Partys –, sondern seine Gattin, eine zur bürgerlichen Wissenschaft konvertierte Aristokratin, die einige materielle Werte und inszenatorische Vorlieben in die Ehe eingebracht hatte, welche Edlinger nun mit seiner berühmten Gleichgültigkeit ertrug.
Und da stand er also, der Professor, in seinem ältesten, speckigsten Anzug, selbstbewußt, brillant, brillant selbst noch als Zuhörer, aber nicht ohne einen leichten Zug von Verlegenheit angesichts der opulenten Übertreibungen dieser Feierlichkeit.
Neben ihm seine Gattin Florence in einem schwarzen Bustierkleid von Helmut Lang, eine noble Erscheinung, die den großen Denker sozusagen komplettiert. Soeben gratuliert ein Minister dem Professor Edlinger zum Geburtstag (der ja gar nicht gefeiert wird), zeigt sich untröstlich, leider gleich wieder zu einer Sitzung zu müssen, weil bla, bla … Edlinger ist freundlich, freut sich über ein halbes Jahr verfrühte oder verspätete Geburtstagswünsche, hört aber schon nicht mehr zu, denn er weiß, daß dieser Minister keine zwei Tage mehr im Amt sein wird, was dieser Minister nicht weiß, allerdings ahnt, und deshalb nervös an seiner Krawatte herumfingert, während er Edlinger eine Projektförderung zusichert, die dieser sich bereits vom Nachfolger des Ministers hat zusichern lassen.
Ranulph Field stand mit einigen jüngeren Leuten etwas abseits, wenig interessiert an deren Gespräch über das Verhältnis von Epilepsie und Börsenkursen, und nippte an seinem Whisky. Trotz der schattigen Gartenanlage war die Hitze unerträglich. Die Krawatte zu lockern half da
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