Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
wieder, wie er gekommen war. Das Sorgenmachen wollte ich lieber anderen überlassen. Gerade als ich dachte, er hätte mir nicht zugehört, antwortete er.
»Erzähle ich dir später, jetzt muss ich erstmal los.« Er sah mich an, als wollte er noch etwas ergänzen, schwieg dann aber.
»Du siehst aus, als wäre dir die Bahn vor der Nase weggefahren«, stellte ich lahm fest.
Ich wartete, Sekunden strichen langsam vorüber. Er wandte den Blick nicht ab. Sein Mund öffnete und schloss sich wieder, bis er sagte: »Tschüss, Hanna!«
Er war heute wirklich zerstreut – nun ja, das war er öfter. Wie es sich für einen anständigen Prof gehörte. Oder nicht?
Schule. Ich ging auf ein Gymnasium für Gestaltung und darstellende Künste . Die Leute denken meistens, an solchen Schulen müsste es irgendwie entspannter zugehen, mit der ganzen Kunst und Kreativität. Fakt war aber, dass es genauso viel Konkurrenz, Druck und Schikane wie auf anderen Schulen gab. Ich stand am Spind, hörte laute Absätze hinter mir, die sich näherten, und spürte schließlich, wie mich jemand von hinten umarmte. Es war Evelyn. Sie kicherte mir ins Ohr.
»Hanna, du unartiges Mädchen, wolltest du uns gar nicht erzählen, dass du mit Mark mehr als nur ...«, sie machte Knutschgeräusche, » … das gemacht hast?«
Mit einem eiligen Schubs schloss ich die Tür vom Spind, die klappernd ins Schloss fiel.
» Wiiee bitte!? Das wüsste ich doch.« Ich starrte mir offenem Mund in ihr gebräuntes Gesicht und wartete darauf, dass sie mehr vom Tratsch preisgab. Ihre feinen blonden Haare, die sie in ihrem grazilen Nacken zu einem klassischen Pferdeschwanz gebunden hatte, wippten durch ihr Lachen hin und her. Maikes hellbrauner Lockenkopf tauchte hinter ihr auf. Sie schnitt eine Grimasse, die ihr Gesicht runder erscheinen ließ, während sie Evelyn an den Schultern zur Seite schob. »Tja, meine Liebe, so, wie es aussieht, hast du wohl deine Jungfräulichkeit verloren und kannst dich nicht einmal dran erinnern. Was dann ja nur daran liegen kann, dass er so unglaublich schlecht war, dass du es verdrängt hast. Weißt du, nach traumatischen Ereignissen passiert sowas manchmal. Es heißt, der Geist versucht, sich selbst zu schützen, indem er belastende Geschehnisse ausblendet.«
Die Winkel ihres Schmollmundes zuckten verräterisch, als sie mit vorwurfsvoller Miene sagte: »Ich denke, du hättest es nicht vergessen dürfen, man muss ihm doch sagen, was er so alles falsch macht, sonst lernt der Arme ja nie, dass es sich noch nicht um Geschlechtsverkehr handelt, wenn man dem Mädchen die Zunge bis zu den Mandeln in den Hals steckt. Er muss doch furchtbar Angst haben, dass du schwanger sein könntest.«
»Ich hab’s«, sagte Evi. »Wahrscheinlich hat er Lea deshalb sitzenlassen und erzählt überall herum, dass du diejenige bist, mit der er zum Schulball geht. Er hat quasi gesagt, dass wenn ein anderer dich fragen sollte, derjenige gleich sein Testament machen könnte.«
Jetzt verschluckte ich mich an meinem eigenen Lachen und mir entglitten meine Gesichtszüge. »Was war das, es darf mich kein anderer fragen?«, sprudelte es aus mir heraus. Ungläubig flogen meine Blicke zwischen meinen Freundinnen hin und her.
»Ich glaub, ich spinne, was glaubt der, wer er ist!?«
»Mark van der Poll halt, wir wissen doch alle, wie der tickt. Jetzt weißt du es auf jeden Fall auch«, stellte Maike neckend fest.
»Da vorne steht er, mit seinem Rudel kläffender Hunde, und schaut zu uns rüber.« Sie hob die Hand in seine Richtung und winkte mit einem zuckersüßen falschen Lächeln. Erschrocken fasste ich ihren Arm und drückte ihn zischend hinunter. »Spinnst du?«, flüsterte ich halb amüsiert, halb verärgert und sah über die Schulter zu dem Rudel Jungs. Und tatsächlich: Da stand er. Als wäre nichts gewesen, winkte er mir einnehmend lächelnd zu. Seinen Kopf leicht schräg in den Nacken gelegt, die muskulösen gebräunten Arme jetzt vor der Brust verschränkt, die sich deutlich von seinem weißen T-Shirt absetzten. Ein Kribbeln stieg in mir auf, Schmetterlinge in meinem Bauch stoben umher. Im Hintergrund hörte ich Maike noch fragen: » Was hast du vor? « , als meine Beine sich von ganz alleine in Bewegung setzten und ihre Stimme immer leiser wurde, als wäre sie schon meilenweit weg. Er sah unglaublich gut aus in seinem Retro-Vintage-Style und den flachsblonden Haaren, die er sich gekonnt nach hinten frisiert hatte.
Wie hypnotisiert sah ich auf seine Lippen
Weitere Kostenlose Bücher