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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bergmann
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und mit aller Härte zuzuschlagen. Blitzschnell und mit aller Härte, das konnten viele, sie verpassten nur zu oft den richtigen Moment. Während Chiara, Vanetti und Donahue mit dem A-Grav ihre kleine Rundreise im großen Spiel fortsetzten, improvisierte Lynx und tarierte Ziele und Maßnahmen neu aus, bis sie wieder mit seinen ursprünglichen Absichten im Einklang standen. Inwieweit dem Mann, dessen Erinnerung erst mit 15 begann, dabei bewusst war, dass sein großes Spiel wiederum nur ein sehr kleines im Vergleich mit dem Kampf darstellte, der nun schon viele Jahrtausende an unzähligen Schauplätzen geführt wurde – das ließ sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Auch Lynx beschäftigten Ahnungen und Träume. Fünfzehn Jahre seines Lebens fehlten ihm, obwohl er über ein phänomenales Gedächtnis verfügte.
    Ein einziges Stück verknüpfte seine unbekannte mit seiner bekannten Vergangenheit: der Ring. Der Ring mit dem stilisierten Möbiusband. Er hatte ihn an seinem 15. Geburtstag getragen und auch an seinem 16., als er den Elektriker tötete. Er wusste, dass ihn der an seinem Ring erkannte. Nur für Sekunden natürlich, für die letzten Sekunden seines Lebens. Das einzige, was Lynx im Nachhinein an diesem Mord bedauerte, war der Umstand, dass er nicht zuvor versucht hatte, zu erfahren, was der Mann über den Schmuck wirklich wusste.
    Lynx maß dem Ring eine Bedeutung zu, die ihm selbst irrational erschien. Abgesehen von einigen Mathematikern zählte er bestimmt zu jenen Menschen auf der Welt, die sich am intensivsten mit dem Möbiusband auseinander setzten. Er kannte all seine Darstellungen. Die der Wissenschaft ebenso wie jene der Kunst. Er imitierte die Möbius-Werke M. C. Eschers täuschend echt. Gelegentlich fragte er sich, ob er nicht selbst ein Gefangener dieser Schleife war. Er trug den Ring nur bei besonderen Anlässen. Die Art der Besonderheit dieser Anlässe entlockte ihm ein Grinsen, das seine Zähne und Ohren seltsam spitz erscheinen ließ.

86___
    Chiara fragte sich, warum dies alles geschehen musste. Vor nicht einmal zwei Wochen hatten sie den A-Grav entdeckt, aber schon Tage zuvor durchlebte sie die ersten Wachträume, hatten sich Antonios Energien erstmals in seinem Leben gebündelt – und seither entwickelte sich ein Drama, das sich nicht auf Gier und Verbrechen beschränkte. Der Mann im hellen Mantel passte so wenig in ihre Welt wie das wundersame Gerät. Aber beide existierten. Wahrscheinlich hingen sie zusammen, wie auch immer. Und sie selbst hing auch mit ihnen zusammen. Wie auch immer.
    In gewisser Weise beruhigte sie der Gedanke, denn es ist einfacher, Unerklärliches zu akzeptieren, wenn man sich damit verbrüdert. So hatten es die Menschen stets gehalten. Vom Feuer in ihren Höhlen bis zum Feuer ihrer Höllenängste. Sie hatten Herde gebaut und Kirchen, um ihre Dämonen im Zaum zu halten. Was für einen Preis würde sie zu entrichten haben? Elenas Tod, Antonios Verschwinden, zwei, vermutlich drei Menschen getötet, was noch?
    „Ich frage dich nicht gern“, sagte sie zu Donahue. „Aber hast du diesmal einen Plan, der klappen könnte?“
    „Hast du einen?“ gab er kühl zurück.
    Chiara, die vor einer Minute noch keinerlei Plan gehabt hatte, erwiderte zu ihrer eigenen Überraschung: „Ja. Ich will zurück nach Florenz. Ich muss mich um Antonio kümmern. Er hat seine Schwester verloren, er braucht mich.“ Sie machte eine kurze Pause. „Wenn ich ihn finde.“
    „Und der A-Grav?“
    „Der kommt mit.“
    „Wir würden dort nie ankommen.“
    „Warum nicht? Wir sind durch eine Straßensperre gekommen, gegen die nicht einmal ein Panzer angefahren wäre.“
    Der Amerikaner tippte mit dem Finger auf seinen CX.
    „Da wusste noch keiner so recht, womit er es zu tun hatte. Jetzt wissen es ziemlich viele. Was zuerst nach einer Spinnerei klang, ist ganz real geworden.“
    Chiara überlegte kurz. Die Biker-Gang, die Kidnapper, Iwas ... Und wer konnte schon sagen, wen Mike verständigt hatte? Immerhin war er Angehöriger eines Dienstes.
    „Dein Plan?“ fragte sie knapp.
    „In Triest liegt eine Fregatte der Navy. Sie läuft morgen aus. Wenn wir sie erreichen, hätten wir fürs Erste Ruhe.“
     

87___
    Auch Lynx dachte an diese Fregatte. Ein vollbesetztes Stadion in die Höhe zu schleudern und abstürzen zu lassen, ergab schon beeindruckende Bilder. Aber danach lag da nur ein Haufen Schutt. Nicht zu unterscheiden von den Trümmern nach einem heftigen Erdbeben oder einer gewaltigen Explosion.

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