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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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Hefter drehte sich einmal um die eigene Achse, dann kamen drei Filzstifte aus einer Federtasche und schrieben nacheinander H, A, L, L, O.
    »Na ist doch super, seht ihr, wie ein richtiger Film. So, nun macht mal weiter, hier ist die Kamera.«
    Verwirrte Gesichter. Die Gruppe hatte sich den Film wortlos angesehen und nun saßen alle wieder an ihren Tischen. »Was weiter? Wir sind doch fertig.«
    Ich guckte sie überrascht an: »Wie fertig? Das war doch nur zum Probieren. Jetzt macht mal was Richtiges, denkt euch doch jetzt noch mal was Längeres aus.«
    »Äh? Der Film ist doch fertig.«
    Bewegungslos klebten sie auf ihren Stühlen, keiner wollte aufstehen, um die Kamera zu nehmen, die ich ihnen die ganze Zeit hinhielt. »Also, ihr meint, das ist jetzt alles? Das ist der einzige Film, den ihr machen könnt? Jetzt könnt ihr euch nichts Neues mehr ausdenken? Jetzt ist alles gesagt? Zehn Minuten, fertig, und jetzt noch die restliche Doppelstunde rumsitzen und quatschen? Oder was?« Lisa zog gelangweilt ihren Liedstrich nach, Ahmet fummelte an den Knöpfen seines MP3-Players. Silvie sagte: »Können wir nicht was anderes machen? Nie machen wir mal was Schönes.«
    Ganz ruhig bleiben, die können nichts für ihr anregungs armes Umfeld. »Überlegt doch mal, was man noch filmen könnte.«
    »Waaas denn?«, fragte Gabi. »Wir sind doch schon fertig.«
    Plötzlich legte Lisa ihr Schminkzeug weg. »Ah, ich weiß was, wir könnten alle Schränke aufmachen und filmen, wie alles aus den Schränken rauskommt.«
    »Nee, Unordnung machen geht nun gar nicht. Denkt doch mal nach, vielleicht läuft dein Schminkzeug über den Tisch oder die Schminke kämpft gegen die Federtaschen und deren Inhalt.« Lisa schien zu denken, ich merkte nicht, wie sie die Augen verdrehte. »Oder ihr schreibt oder malt was.«
    »Haben wir doch schon«, sagte Ahmet.
    »Ja, ihr habt ›Hallo‹ geschrieben.« Langsam reichte es mir. »Hallo, ja, ihr habt ›Hallo‹ geschrieben, damit ist ja auch schon alles gesagt, weitere Möglichkeiten für Trickfilme sind damit ausgeschlossen. Mit dem ›Hallo‹ bleiben in der visuellen Welt gar keine Fragen mehr offen, das ist ja der absolute künstlerische Schlussstrich unter alle Fragen der Kreativität. Stimmt. Damit habt ihr alles gesagt. Und ihr habt recht, ihr seid fertig. Kein Problem, bleibt einfach sitzen und wartet, bis es klingelt.« Ich musste Luft holen, biss die Zähne zusammen und zischte: »Und am Ende der Stunde möchte ich von jedem einzelnen von euch wissen, was ihr am Donnerstag machen werdet. Eine selbst gewählte Aufgabe, die ihr in den nächsten Stunden bearbeitet – und die dann zensiert wird.«
    Nach der Doppelstunde Kunst lenke ich mich mit zwei Stunden Deutsch, einer Stunde Ethik und einer Hausaufgabenstunde ab und denke um 14 Uhr bereits wieder: Ja, Trickfilme, ist doch was ganz Tolles! Die werden es lieben!
    Und tatsächlich: Ich muss nicht einmal die Kameras verteilen, sie werden mir von den Neuntklässlern sofort aus der Hand gerissen. Ali Escobar und seine Fans stehen schon an der Tafel, und Ali zeichnet eine Figur. Mustafa und Mohamad streiten sich noch darüber, wer fotografieren soll: »Passt auf, dass die nicht runter fällt!«
    Nina sitzt mit einem Mädchen, das ich nicht kenne, an einem Tisch in der hinteren Ecke. Ich gehe zu ihr: »Du gehörst nicht in diese Klasse, verlass bitte sofort den Raum.«
    »Aber Frau Freitag, das ist doch Susi, die ist in der Klasse.« Susi war in diesem Schuljahr noch nicht einmal in meinem Unterricht, und ich kenne sie nur als Namen, den ich jeden Donnerstag auf den Fehlzettel schreibe. »Ach so. Du bist Susi. Schön, dass du auch mal kommst.« Die Mädchen fotografieren ihre Handys auf dem Tisch.
    Hannes, Ulf, Micha und Tarek sitzen an einem anderen Tisch und überlegen noch, was sie filmen wollen. »Können wir die Pinguine haben? Brauchen Sie die noch?« Die Pinguine habe ich mit dem Kunstkurs im letzten Jahr aus Pappmaché gemacht. Daran haben die ungefähr sechs Monate gearbeitet, dann wurden sie ausgestellt und letzte Woche aus den Ausstellungsräumen zurück in meinen Raum gebracht. Jetzt liegen sie in einem Karton vor den Schränken.
    »Können wir die kaputtmachen?«
    »Nein, auf gar keinen Fall. Ich hatte euch doch gesagt, dass ihr euch was mitbringen sollt, wenn ihr was zerstören wollt.«
    »Haben Sie nicht einen alten Computer?«
    »Nein.«
    Widerwillig holen Hannes und Ulf Federtaschen und Hefter aus ihren Schultaschen und fangen an zu

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