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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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fotografieren. Nach zehn Minuten: »Die Batterien sind alle.« Mist, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Dann kommt Nina mit der Kamera: »Fertig, unser Film ist fertig, können wir den jetzt gucken?« Ich klappe den Laptop auf.
    »Haben Sie MSN?«
    »Nein, hier gibt es keine Internetverbindung.« Ich überspiele 20 Bilder von der Kamera auf den Computer. Nina und Susi setzen sich neben mich und kauen intensiv auf ihren Kaugummis.
    »So, hier, guckt, euer Film.« Man sieht zwei Handys, die sich so gut wie gar nicht bewegen. »Hm. Habt ihr die denn nicht verschoben? Na ja, ihr könnt das ja noch mal probieren.«
    »Nein, heute habe ich keine Lust mehr. Wir ham doch schon was gemacht«, sagt Nina. »Frau Freiiitag?«
    »Ja?«
    »Kriegen wir eigentlich für heute auch Noten?«, fragt Susi.
    »Na ja. Ja. Wieso? Ach so, weil du noch nie da warst. Na ja, so berauschend war euer Film ja eigentlich nicht.«
    »Die Batterien sind leer.« Ali hält mir die Kamera hin. Oh Scheiße, was soll ich denn jetzt machen. »So, setzt euch alle mal hin.« Noch zwanzig Minuten bis zum Klingeln. »Also, das tut mir leid, dass jetzt keine Batterien mehr da sind, die muss ich erst aufladen. Aber schön, dass ihr schon mal angefangen habt. Ich schreibe jetzt mal auf, wer nächste Woche zusammenarbeiten will.« Zeitschinden. »Also, Nina und Susi, und wer noch?«
    »Nur wir beide.«
    »Aber ich habe nicht so viele Kameras. Na ja, und Ulf, mit wem willst du arbeiten?
    »Alleine.«
    »Hannes und Tarek, wer soll in eurer Gruppe sein? Micha und Ralf? Und habt ihr schon eine Idee, was ihr machen wollt?«
    »Ich mach ’n Porno«, sagt Tarek. Ich gehe nicht weiter darauf ein. »Ich mach ’n Porno, ich mach ’n Porno, mach ’n Porno«, Tarek verliert sich in diesem Singsang. Ich versuche, ruhig zu bleiben, nicht aufregen, nicht reagieren, gleich klingelt es, gleich gehen sie … »Porno, Porno, Porno, Porno …«
    »NEIN, TAREK! Du drehst hier KEINEN PORNO, das kannst du zu Hause mit deiner Mutter machen!«
    Wow, das war deutlich. Tarek verstummt, die anderen Schüler schreien los, Mohamad stürzt nach hinten zu Mustafa: »Hast du gehört, was Frau Freitag gesagt hat?« Hannes kichert, Tarek ist schon mal aufgesprungen. »Was, was? Was ist mit meiner Mutter?« Ah gut, er hat es nicht verstanden. Aber er wird es gleich erfahren. Was nun? Jetzt muss ich schnell sein.
    »Weißt du, Tarek, wir sind hier in der Schule, da hast du nicht so zu reden, du musst dich mir gegenüber respektvoll verhalten, und ich will so etwas hier nicht hören, dass du einen Porno drehst.«
    »Hab ich ja gar nicht gesagt, ich hab gesagt, dass ich einen Porno mitbringen werde.«
    »Und was soll das jetzt? Was willst du hier mit ’nem Porno?«
    »Da können Sie sich einen drauf runterholen.«
    Ein ganz neues Jahr!
    Dieses neue Jahr nervt mich jetzt schon. Was hat es mir denn bisher gebracht? Einen völlig nutzlosen 1. Januar, einen fetten Bauch, der mich wahrscheinlich das ganze Jahrzehnt begleiten wird, ein ganz unsäglich schlechtes Fernsehprogramm, eine ziemlich unaufgeräumte Wohnung, die sich mal wieder nicht von selbst aufräumt, ein finnisches Selbstmordwetter und Schreie aus meiner Schultasche, die ich erst seit dem Jahreswechsel richtig höre: »Öffne mich, öffne mich, hier liegen noch unkorrigierte Arbeiten …« Konsumieren geht auch nicht, weil man mir nichts verkaufen will, beziehungsweise weigert die Bekleidungsindustrie sich seit längerem, Anziehsachen herzustellen, die mir gefallen, dabei habe ich wirklich jeden Pullover aus den Regalen genommen. Der Freund scheint in diesem Jahrzehnt nur noch schlafen zu wollen und Fräulein Krise und Frau Dienstag befinden sich zurzeit wohl gemeinsam in der manischen Phase ihrer Depression. Sie wollen einfach nicht wahrhaben, wie scheiße alles ist. Fräulein Krise – Meisterin der Verdrängung: »Ich lege auf, wenn du das Wort sagst, das mit ›S‹ beginnt und mit ›ule‹ aufhört.«
    Frohes neues Jahr. Ha, dass ich nicht lache. Frohes Jahr – Witz! Wie schön war doch das alte Jahr: Wochenlang frei wegen irgendwelcher Prüfungen, einmal war die Heizung kaputt und ich konnte zu Hause bleiben, Hochsteckfrisur, Unterricht mit dem Lieblingsschüler, paradox interveniert ohne Ende, Ferien – im letzten Jahr gab es dauernd Ferien. Wo sind die Ferien jetzt? Hätte ich einen normalen Beruf, könnte ich jetzt bestimmt bis zum Frühling Resturlaub nehmen, aber so …
    Und morgen wieder die ganzen Knalltüten.

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