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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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zweiten Tag in die Nesseln gesetzt. Da sagte er etwas über meine Klasse, ohne zu wissen, dass ich die Klassenlehrerin bin. Und was bildet der sich ein, nach einer Stunde mit nur einem Teil meiner Klasse überhaupt irgendein Urteil abgeben zu können. Seitdem bin ich höflich distanziert. Der soll mal schön die Bälle flach halten.
    Hier ein paar Todsünden für neue Kollegen:
    1. Lästern
Nie darf man als neuer Lehrer über irgendwelche Kollegen herziehen, wenn man das gesamte Lehrerzimmergefüge noch nicht durchschaut. Man weiß nie, wer mit wem kann und wer nicht!
    2. Den Schlendrian zeigen
Nie durchblicken lassen, dass man seinen Unterricht nicht ordentlich vorbereitet hat. Also nicht in der Pause hektisch am Kopierer drängeln und irgendwelche Arbeitsblätter vervielfältigen.
    3. Überengagiert sein
Schlimmer noch als zu larifari zu sein, ist zu großer Einsatz. Aufwendige Stundenvorbereitungen, mit denen man dann in den Unterricht stiefelt, kommen bei erfahrenen Kollegen, die sich dem Unterrichtsminimalismus verschrieben haben, gar nicht gut an. Und bloß nicht vom eigenen tollen Unterricht erzählen.
    4. Meinungen zur Schülerklientel
Bitte nicht vorschnell die Schülerschaft beurteilen und sagen, dass das alle unpünktliche Idioten sind. Auch wenn sie das sind. Das steht einem Neuen nicht zu. Nicht zu schnell die Schüler für irgendwas loben. Auch nicht einzelne Schüler. Es könnte ein Kollege am Tisch sitzen, der gerade mit diesem Schüler gar nicht klarkommt, und dann wird der Neue mit diesem Kollegen gar nicht mehr klarkommen.
    5. Alles ändern wollen
Nicht im Lehrerzimmer rumtönen, wie toll dies und das an der alten Schule war, und irgendwas verbessern wollen. Bloß nicht irgendwelche verkeimten Ecken säubern, Sammlungen sortieren oder vermüllte Räume aufräumen. Auf gar keinen Fall darf man sich als Neuer in der Gesamtkonferenz zu Wort melden, um irgendwas vorzuschlagen.
    6. Selbstüberschätzung
Bloß nicht bei der Vorstellung so einen Quatsch sagen wie: »Ich will hier mal frischen Wind reinbringen.« Oder, wie an meiner Schule passiert: »Ich bin hier, um Sie zu unterstützen.« Das kam gar nicht gut an. Als Neuer schön die Klappe halten und abwarten. Beobachten, versuchen zu verstehen, sich ruhig, hilflos und blöd geben – leichte Verpeiltheit kommt besser an als zu großes Selbstvertrauen. Sprüche wie »Das wird schon«, »Das kriege ich schon hin«, »Da mach ich mir keinen Stress« gehen gar nicht. Denn es wird nicht, hinkriegen tun wir Alten es ja auch nicht und Stress steht in unserer Arbeitsplatzbeschreibung.
    Also, ihr lieben neuen Kollegen, ihr denkt vielleicht, dass ich hier übertreibe, aber unterschätzt nicht die alten, frustrierten Kollegien. Da sitzt der eine oder die andere und zieht vielleicht die einzige Freude am Vormittag daraus, euch das Leben zur Hölle zu machen.
    Und beachtet bitte im Umgang mit den Schülern, die ihr zum Beispiel bei euren Aufsichten auf dem Hof antrefft: Nicht jeder Schüler geht auf eure Schule. Es gibt auch schulfremde Schüler! Der schönste Schulbesuch ist der Besuch einer fremden Schule.
    Vor kurzem standen plötzlich zwei sehr unangenehm aussehende junge Männer in der Tür, die offensichtlich nicht zu unserer Schule gehörten. Die musste ich entsorgen. So was kann leider auch ins Auge gehen. Zu einem schulfremden Schüler war ich mal etwas zu vorlaut, da sah ich mich schon mit Messer im Bauch auf dem Schulflur verbluten. So ein Tod ist echt unnötig.
    Auch hier ein kleiner Tipp für die Neuen: Schulfremde Schüler, vor allem männliche, spielen sich gerne auf, bewegen sich extrem langsam und sollten nie angefasst oder vor einem breiten Publikum lächerlich gemacht werden. Macht es also nicht wie ich damals:
    »Bist du hier auf der Schule?«
    Schulfremder: »Ja.«
    »In welcher Klasse?« Keine Antwort. Ich deshalb: »Verlass bitte sofort das Schulgelände.«
    »Du weißt nicht, wer ich bin.«
    »Doch, du bist jemand, der nicht auf diese Schule geht und keine guten Manieren hat.«
    Daraufhin kam er ganz nah an mich ran, und wir hatten einige Sekunden eine Eins-A-Wild-West-ich-fixiere-dich-solange-bis-du-den-Blick-senkst-Situation. Mit einem riesigen Publikum, das den Atem angehalten hat. Er ist dann in Zeitlupe davongeschlichen. Aber es war ziemlich brenzlig und dumm von mir.
    Am liebsten hätte ich gesagt: »Außerdem hast du einen extrem kleinen Kopf, wodurch die Baseballkappe total lächerlich aussieht, in ihrer Lächerlichkeit aber zu

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