Chill mal, Frau Freitag
immer, wir hätten noch diese Noten von vor dem Elternsprechtag. Sie sollten unsere Noten mal jetzt sehen. Abó , Sie würden staunen.« Abdul lehnt sich zufrieden zurück »Ja, Frau Freitag kriegt voll Schock, wenn sie die Noten sieht.«
Samira meldet sich. »Frau Freitag, ich schwöre, auf dem nächsten Zeugnis wird niemand mehr so viele Ausfälle haben, dass er sitzenbleiben muss.«
»Na, das wäre ja was …« Ich fange an, davon zu träumen, wie ich bei der Zensurenkonferenz lauter Realschulprognosen verlesen darf und mich die Kollegen alle missgünstig angucken und tuscheln.
»Okay, dann legen wir mal los. Heute: die indirekte Rede. Wer hat so was oder so was Ähnliches schon mal gehört?«
Sofort gehen die Finger hoch, und wir verbringen eine super Grammatikstunde, in der wir alle viel gelernt haben.
Warum nicht so?
Bald ist die Schule vorbei. Momentan macht der Unterricht eigentlich Spaß, wahrscheinlich aber nur, weil man weiß, dass er bald vorbei ist. Noch drei Tage.
Ich kriege schon jetzt dieses warmherzige Gefühl, das man hat, wenn man zu den Kollegen sagt: »Tschüß, schöne Weihnachten und guten Rutsch.« Aber sonst ist mir noch nicht so richtig weihnachtlich zumute. Ich verzichte dieses Jahr auf jegliche Deko, wir sind ja sowieso nur vier Christen in der Klasse, die Weihnachten feiern, und ich überhöre sogar das Wort »Julklapp«.
Allerdings kommt Kathrin aus meiner Klasse heute auf dem Hof zu mir: »Frau Freitag, würden Sie mit Ihrer schrecklichen, lauten, nervtötenden Klasse ein Frühstück machen?«
»Wenn ihr das organisiert, dann komme ich gerne. Kriegt ihr das hin?« Sie nickt und geht. Na ja, Hunger habe ich ja immer, vor allem, wenn es kalt ist. Und frühstücken heißt auch, nicht unterrichten zu müssen.
Meine Klasse liebt Frühstücken. Sie könnten glatt jeden Tag frühstücken. Ich könnte ein Restaurant oder Café mit ihnen betreiben, statt sie zu unterrichten.
Fräulein Krise kommt jeden Tag in unser Café, und sobald sie den Raum betritt, schwirren die Schüler um sie herum und lesen ihr jeden Wunsch von den Augen ab. »Wie immer Fräulein Krise? Kaffee und ein Eibrötchen?« Fräulein Krise lässt sich mit schwerem Ausatmen auf einen dieser total bequemen Sessel fallen, aus denen man nicht mehr hochkommt. Abdul und Emre wissen das und bieten sich immer an, die Gäste aus dem Möbel zu ziehen. »Fräulein Krise, erzählen Sie von Ihrer garstigen Klasse!« – »Ja, bitte, Fräulein Krise! Was haben die gesagt zu der schlechten Deutscharbeit? Haben Sie denen die Hölle heiß gemacht? Hat Ömer zugegeben, dass er den Tesa-Abroller geklaut hat?«
Ich sitze neben Fräulein Krise und trinke den ganzen Tag schwarzen Kaffee und rauche – das Besondere an unserem Café: Bei uns darf geraucht werden. Frau Dienstag kommt auch oft vorbei, sie trinkt aber nur Tee und isst nie etwas (Magersucht im Endstadium). Frau Dienstag hat übrigens aufgehört zu unterrichten und eine Schlosserei aufgemacht. Die läuft hervorragend. Sie ist reich und hat unsagbar schwarze Fingernägel.
Ab und zu zwinge ich die Schüler, sich die Hände zu waschen (wegen der Hügiäne), und wenn wir schließen, zähle ich das Geld und gehe glücklich nach Hause. Meine Schüler kommen immer und sind auch immer pünktlich, sie haben tolle Ideen für die Deko und das Essensangebot. Es gibt jeden Tag ein anderes Gericht aus der südeuropäischen Küche, aber auch Pasteten aus Palästina, Kuchen aus dem Kosovo und Allerlei aus Albanien.
Die Schüler sagen: »So macht Schule Spaß. So handlungsorientiert.« Sie sprechen perfekt Pädagogisch, weil wir gemeinsam ein Buch über unser Schul-Café-Restaurant geschrieben haben. Außerdem tingeln wir dauernd durchs Fernsehen und erzählen davon bei Anne Will und den anderen. Ich habe ihnen gesagt, dass sie ja immer schön »isch« und » vallah « sagen sollen und nie Artikel benutzen dürfen, denn das wird von ihnen erwartet. Aber höflich sollen sie sein und gut aussehen. Die Mädchen schminken mich vor den Fernsehauftritten immer. Ich sehe gut aus im Fernsehen. Sagen mir auch viele Eltern. Die Kollegen allerdings schweigen sich aus.
Na ja, fangen wir erst mal mit einem Frühstück am Donners tag an …
Tipps für neue Kollegen
So, der neue Kollege ist da. Er spricht komisch. Manchmal versteht man ihn kaum. Die Schüler sagen: schwul. So wie manche Kolleginnen um ihn herumschwirren, sage ich: hetero. Ich halte mich da schön raus, hat er sich bei mir doch gleich am
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