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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Anlauf überwand er die schiefe Ebene und gelangte mit wenig Mühe auf das Schuppendach. Am überstehenden Mauerstück von einem halben Meter richtete er sich auf und spähte hinaus.
      Das Bauwerk warf Kernschatten. Dennoch zögerte Lux nicht. Er nahm Anlauf, wie ihn die Breite des Schuppendaches zuließ, und sprang. Er landete glücklich auf einem vom Gartennachbar angelegten Komposthaufen, dessen obere Schicht aus vorjährigem Laub bestand. Nur einen winzigen Augenblick dachte Lux daran, dass er bei der Rückkunft von dieser Seite die Mauer wohl würde nicht überwinden können…
      Lux orientierte sich. Er befand sich in einem Garten mit Obstbäumen, Gemüsebeeten, einem kleinen Rasenstück und einer primitiven Laube. Ein niedriger Heckenstreifen trennte das Grundstück von einem unbefestigtem Weg. Mit einem Satz befand sich Lux auf diesem, der sich wie ein Hohlweg zwischen den Gärten hinzog. Rechts entfernt kamen Motorengeräusche auf, ebbten ab. ,Autos fahren dort’, schlussfolgerte Lux, und er lenkte seinen Lauf in diese Richtung.

    A ls Shirley Lindsey am folgenden Tage morgens das Institut betrat, erwartete sie Boris Remikow, der wenige Minuten vor ihr eingetroffen war, voller Ungeduld in einer für ihn außergewöhnlichen Erregung. Statt ihren Gruß zu erwidern, rief er gedämpft: „Lux ist weg.“
      „Wie, weg?“, fragte Shirley aufgeschreckt zurück. „Kommen Sie rein“, forderte sie und drückte den Code zur Tür ihres Arbeitszimmers.
      „Als ich kam, traf ich Schäffi allein. Ich rief nach Lux, und sie teilte mir mit, dass er nicht da sei. Und ich hatte den Eindruck, sie sagte es mit einer gewissen Genugtuung. Sie kommt mir munterer vor als in den letzten Tagen.“
      „Aber wie kann er…“ Shirley hatte die Situation noch nicht erfasst. Erst nach und nach rückten die Konsequenzen in ihr Denken, und ihr wurde es siedendheiß.
      „Er muss über den Garten…“
      „Reden Sie keinen Unsinn, Mann. Da ist die Mauer…“, unterbrach sie, aber sie vollendete den Satz nicht.
      „Kommen Sie!“ Aufgeregt riss Boris die Tür zum Aufenthaltsraum Schäffis und Lux’ auf, von dem aus ein Zugang zum Garten bestand.
      Schäffi lag langgestreckt in ihrem Korb, den Kopf auf den Vorderläufen, und sie rief laut: „Guten Morgen, Shirley!“ Und diese hatte durchaus den Eindruck, es klang fröhlich.
      Shirley beugte sich zu ihr hinab: „Bitte sag’ uns, wo Lux ist.“
      Ohne ihre Lage zu verändern, antwortete sie: „Ich weiß es nicht. Ich habe geschlafen, und als ich aufwachte, war er fort.“ Auch das sagte sie in einem leichten Tonfall.
      „Sehen Sie!“, forderte Boris. Er stand am Zugang zum Garten und wies zur gegenüber liegenden Mauer, an welche der Geräteschuppen anschloss, dessen Tür jetzt offen stand – oder besser: dessen Öffnung dunkel gähnte, denn das Türblatt lehnte als schiefe Ebene daneben.
      „Er hat die Tür ausgehängt!“, rief Boris voller Staunen.
      „Aber das schafft doch ein Hund…“ „gar nicht“, wollte Shirley vollenden. Sie brach den Satz ab und biss sich auf die Lippen.
      „Ein normaler Hund nicht…“, Boris nickte gedankenvoll, fuhr dann fort: „Es ist eine sehr leichte Tür. Man muss nur wissen, wie’s geht.?“ Trotz aller Bestürzung lächelte Boris. „Und die Latten ergeben eine vorzügliche Leiter.“
      „Wir müssen ihn suchen, sofort!“
      Schäffi kam in den Garten. Sie dehnte sich ausgiebig. Einen depressiven Eindruck machte sie nicht.
      Der Hündin folgten erregt die Tierärztin und Breitner.
      „Schäffi, weißt du wirklich nichts?“ Shirley Lindsey packte die Angesprochene an der Schulter und sah ihr eindringlich ins Gesicht. „Es ist wichtig, er ist in großer Gefahr!“
      Schäffi schüttelte den Kopf und machte sich frei. „Ich weiß nichts, gar nichts!“, erklärte sie mit Bestimmtheit.
      „Los!“ herrschte Shirley Boris an. „Wir müssen ihn suchen. Magik, Breitner, sofort! So ein dummer Kerl!“
      Die vier am Projekt Beteiligten folgten zunächst ratlos Shirley ins Haus.
      Boris sprach es aus: „Wo, um Himmels willen, sollen wir da anfangen!“
      Shirley ging auf seine Bemerkung nicht ein. „Jeder hat sein Mobiltelefon, der Name Lux und dass es sich um einen – Hund handelt, wird nicht erwähnt. Die Suche ist beendet, wenn ich es sage!“ Sie trat an den aufgehängten Stadtplan und legte die zu durchstreifenden Gebiete für die einzelnen Helfer fest.

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