Chimären
anscheinend.
Schäffi drängte ihn zur Seite, flüsterte.
Lux nickte mehrmals, wandte sich Shirley zu und sagte: „Okay, du! Die Remp brauchen wir noch. Wenn du kannst, versuche, vielleicht auch in deinem Interesse, deinen Ausflug zu uns nicht publik zu machen.“
„Oh, danke. Publikmachen hatte ich sowieso nicht vor. Aber Lux – gebt auf, bitte. Ich flehe euch an.“
„Du kennst die Bedingungen. Wirke bei deinen Leuten dahin, dass sie erfüllt werden. Morgen um achtzehn Uhr – ich halte mich an die Absprache – höre ich eure Entscheidung.“
„Lux, Schäffi…“
„Geh’ jetzt, bevor ich es mir noch anders überlege.“
Schweren Herzens ging Shirley Lindsey zurück. Und sie spürte in diesem Augenblick, dass keine von zwei Seiten begehbare Brücke zwischen Mensch und der gezüchteten Kreatur bestand. Nicht wie ein Kind hatte sie Lux liebgewonnen, sondern wie einen treuen Hund. Und der eingehauchte, fremde Verstand, gepäppelt aus Stammzellen mit Erbgut wer weiß von wem, wendete sich jetzt vom anheimelnden Hort, lässt Egoismus und Starrsinn gegen Zusammengehörigkeit und Zuneigung triumphieren. Und Schäffi? Sie unterliegt der Alphahierarchie des Rudels. Wolf unter Wölfen…
„Ich habe es mir gedacht.“ Susan Remp reagierte auf die sie betreffende abschlägige Nachricht mit Gleichmut. „Ich denke, es hat ohnehin am längsten gedauert.“
„Nehmen Sie sich in Acht“, mahnte Shirley. „Ich traue dem Frieden und dem Polizeichef nicht.“ Sie verabschiedete sich schweren Herzens mit dem Versprechen, alles zu tun, um die allseitige Misere zu beenden.
Draußen hob sie zaghaft grüßend die Hand zu Lux und Schäffi hinüber, die aufrecht saßen und ihr ohne Regung nachschauten. Auf dem Platz saßen und lagen die Canismuten; Charlie und Patty karrten die Furage heran.
Shirley schritt die dunkle Appareille hinab, ihre Schritte hallten auf dem groben Pflaster.
Das Torgatter versperrte bis auf einen Spalt, nur groß genug um einen Hundekörper hindurch zu lassen, den Weg.
Auf keinen Fall wollte sich die Frau mit dem ihr fremden Schließmechanismus befassen oder Hilfe herbeiholen. Sie legte sich auf den Bauch und begann Stück für Stück, unter dem Gatter hindurchzurutschen.
Abrupt hielt sie inne.
Sie konnte ein Stück des Himmels sehen, und über dieses huschten plötzlich surrend und in rascher Folge vermummte Körper, drei – sechs.
„Verdammt!“ Shirley wurde es siedendheiß. Eine Sekunde lang drückte sie ihre Wange auf den kalten Stein. „Ich muss sie warnen, warnen! Lux!“
Hastig rutschte sie zurück, blieb an den Bohlen hängen, ruckelte sich panisch frei, stand auf und rannte den steilen Weg zurück.
Sie erreichte atemlos das Plateau, wandte sich nach rechts, zum Platz, schrie „Lux, Lux, Achtung!“ und rannte weiter. Sie konnte die Versammelten, die dichtgedrängt lagerten, bereits sehen.
Sie sah aber auch noch entsetzlich Anderes: Wie Fische aus dem Wasser schossen unförmige Gestalten über die Mauern, Mann an Mann. Ohne die Fluggeräte abzuwerfen, rannten sie wie eine vielgliedrige Raupe, die sich seitwärts bewegt, feuerspeiend auf die Meute zu. Sie schossen aus Schnellfeuergewehren, säbelten mit Lasern und Flammenwerfern, setzten Granaten dorthin, wo sich möglicherweise Fluchtwege aufgetan hätten.
Der ersten folgte eine zweite Welle: Scharfschützen. Kaltblütig wurde abgeknallt, was versuchte, dem blutigen, chaotischen Kessel zu entkommen.
Nach wenigen Minuten ließ das Getöse nach. Vereinzelte Schüsse fielen. Der Qualm der Explosionen verwehte.
Es bot sich ein grauenvolles Bild. Die Leichen, zerfetzt etliche, lagen kreuz und quer blutüberströmt. Einige der Opfer krochen halb gelähmt, winselnd umher.
Ungeachtet der Schüsse, die noch immer vereinzelt fielen, und groben Rufen „Zurück!“, rannte Shirley Lindsey dorthin, wo sie Lux zuletzt gesehen hatte. Im Lauf versuchte sie, nicht auf die Kadaver und in die Blutlachen, die größer wurden und den Platz tränkten, zu treten.
Da lag Lux. Daneben Schäffi mit überdehntem, aufgerissenem Hals.
Lux’ Brustfell wurde dunkel vom Blut. Aber seine Augen waren noch nicht gebrochen.
Shirley kauerte sich neben ihn und nahm seinen Kopf behutsam auf ihren Schoß. „Lux, Lux“, flüsterte sie immer wieder. „Warum nur, warum!“ Sie streichelte ihm über den Kopf. Über ihr Gesicht liefen Tränen.
Da
Weitere Kostenlose Bücher