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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Felsbrocken versperrt; die Lücke war zu schmal für Wolf. Er vergrößerte den Spalt mit den Vorderpfoten. Dunkelfell half ihm dabei. Schließlich konnte sich Wolf hineinzwängen.
    Drinnen roch es zwar nach Dämon, aber der Duft war alt. Hier waren keine Dämonen. Nur ein sehr dünnes, schlecht riechendes Schwanzlos-Junges.
    Wolf heulte leise und leckte dem kleinen Weibchen über die Nase. Sie blinzelte nicht einmal. Etwas stimmte nicht mit ihr. Wolf zog sich aus der Höhle zurück und rannte los, um Groß Schwanzlos zu holen.
    Das Licht zeigte sich gerade am Waldrand, als er das Lager der Schwanzlosen erreichte, wo er sogleich erkannte, dass er warten musste. Am Rande des Flinken Nass lagen mehrere schwimmende Häute halb auf dem Land. Wolf sah zu, wie der Anführer des Rabenrudels die Böschung hinaufstieg, er sah, wie die Rudelgefährtin ihre Stöcke wegwarf und auf ihn zuhüpfte, wie der Rudelführer lachte und sie in seinen Vorderpfoten hin und her schwenkte.

Kapitel 39

    »Wie lange brauchen wir, um den Weiten Wald zu erreichen?«, fragte Torak.
    Fin-Kedinn rollte seinen Schlafsack zusammen und sagte: »Bis zur Abenddämmerung müssten wir dort sein.«
    »Endlich!«, seufzte Renn.
    Sie legte ein Stück getrocknetes Eberfleisch für den Clanhüter in eine Birke, das sich Rip prompt schnappte. Torak versuchte, seine Opfergabe an den Wald rabensicher zu verstauen, indem er sie tief in die Spalte einer Esche schob. Dann wies Fin-Kedinn Renn an, das Feuer wieder einzuschläfern, während er und Torak die Ausrüstung zu den Kanus trugen.
    Schon vor zwei Tagen hatten sie das Lager im Großen Wald verlassen, aber sie ließen es ruhig angehen, da Fin-Kedinns Rippen immer noch der Pflege bedurften. Der Anführer der Raben war allein gekommen, da der Rest des Clans mit der Lachswanderung beschäftigt war. Dabei empfanden sie es als sehr angenehm, dass sie nur zu dritt waren.
    Torak verspürte rings umher eine große Heilung. Sogar unter den Clans des Großen Waldes gab es, angefacht von dem Bedürfnis, die gestohlenen Kinder zu heilen, so etwas wie ein gegenseitiges Entgegenkommen. Fünf Kinder waren aus Löchern in den Böschungen hinter dem Heiligen Hain befreit worden. Alle waren völlig abgemagert, ihre Zähne zu spitzen Reißzähnen gefeilt, ihr Geist blank gescheuert wie Mistelbeeren. Nach einem Blick in ihre Augen hatte Renn glücklicherweise verkünden können, dass Thiazzi noch keine Dämonen in ihr Mark gebannt hatte, womit sie immer noch Kinder und keine Tokoroths waren; und da sie sich damit besser auskannte als jeder andere, hatte selbst Durrain sich ihren Worten gebeugt. Als Letztes hatte Torak die Clans des Großen Waldes darüber beraten sehen, mithilfe welcher Rituale man die Genesung der Kinder wohl am besten voranbrachte.
    Auch der Wald selbst war wieder dabei, seine Wunden zuwuchern zu lassen. Einen ganzen Tag lang hatten sie durch verbranntes Land paddeln müssen, doch auch dort hatte Torak an manchen Stellen bereits grüne Flecken gesehen, und hier und da hatte das erste kecke Rotwild schon wieder an neuen Schösslingen geknabbert. Am Ufer des Schwarzwassersees hatte er die heilige Stute stehen sehen. Sie hatte ihm zugewiehert und er hatte ihr leise geantwortet. Allem Anschein nach hatte sie ihm verziehen, dass er auf ihr geritten war.
    Trotzdem, dachte er, als er die Wassersäcke in den Kanus verstaute, gab es manche Wunden, die niemals verheilen würden. Die Narben der Auerochsen würden immer bleiben. Gaup war bis an sein Lebensende verkrüppelt. Sein kleines Mädchen, das man mit den anderen aufgefunden hatte, war stumm. Am allerschlimmsten war, dass eins der gestohlenen Kinder nicht mehr gefunden worden war. Dämon, hatte Wolf gesagt, als er seiner Fährte gefolgt war, ehe sie sich in den Ausläufern der Berge verloren hatte. Torak stellte sich vor, wie das Tokoroth über Stock und Stein auf Eostras Versteck zutrippelte.
    »Wir binden die Ausrüstung lieber fest«, sagte Fin-Kedinn. Seine Stimme ließ Torak erschrocken zusammenzucken. »Vor uns liegt Wildwasser.«
    Torak wunderte sich, denn er konnte sich an keinerlei Stromschnellen erinnern. Dann erst fiel ihm ein, dass Renn und er diesen Teil der Reise zu Fuß und außerdem ein Stück weiter südlich des Flusses zurückgelegt hatten. Zu wissen, dass ab jetzt Fin-Kedinn die Führung übernahm, empfand er als Erleichterung.
    Kurz darauf glitten sie bereits an plappernden Erlen und Schilfstreifen, in denen die Grasmücken trällerten, vorüber.

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