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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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erzählte der junge Mann. Er hieß Kyo. »Sie boten uns Feuersteine und Robbenlederkleidung zum Tausch an, aber ich war nicht in der rechten Stimmung und ging nicht hin.« Er krauste die Stirn. »Schließlich sind die Wale mit ihnen handelseinig geworden. Sie waren so versessen auf die Meerknollen, dass sie den Robbenjungen nichts von der Krankheit erzählt haben, um sie nicht zu verschrecken…«
    »Und Torak?«, unterbrach ihn Renn. »Du hast doch gemeint, du hättest gesehen, wie sie ihn verschleppt haben.«
    »Ich habe bloß in einem ihrer Boote einen dunkelhaarigen Jungen sitzen sehen, wie du ihn beschrieben hast. Er war mager, machte ein finsteres Gesicht und hatte eine Menge Schrammen. Kampflos ist er jedenfalls nicht mitgegangen.«
    Renn ballte unwillkürlich die Fäuste. »Wo hat man ihn hingebracht?«
    Kyo zuckte die Achseln. »Bei den Robben weiß man nie. Die haben nicht wie wir gelernt, mit dem Wald in gutem Einvernehmen zu leben.«
    »Ich muss auf ihre Insel.«
    »Das geht nicht«, entgegnete Tiu barsch.
    »Aber ihr fahrt doch zur Kormoraninsel und von dort ist es nicht mehr weit zur Robbeninsel, stimmt’s?«
    »Du hast mich nicht verstanden«, erwiderte Tiu gereizt. »Wir leben nicht im Zwist mit den Robben und so soll es auch bleiben!«
    »Aber mein Freund ist in Gefahr!«
    »Wir sind alle in Gefahr!«, fauchte Tiu.
    Renn betrachtete die besorgten Gesichter ringsum und überlegte, wie sie zum Ziel kommen konnte. »Eins habe ich noch nicht erwähnt«, sagte sie schließlich. »Mein Freund Torak… nun, er besitzt außergewöhnliche Fähigkeiten. Vielleicht kann er ja ein Mittel gegen die Krankheit ausfindig machen.«
    Tiu verschränkte die Arme vor der Brust. »Das hast du dir eben ausgedacht.«
    »Nein. Hör zu, ich will dir verraten, was es mit meinem Freund noch auf sich hat.« Damit verstieß sie zwar gegen Fin-Kedinns Verbot, aber Fin-Kedinn war weit weg. »Ihr erinnert euch bestimmt noch alle daran, was letzten Winter geschehen ist. An den Bären.«
    Die Umstehenden unterbrachen ihre Tätigkeiten und kamen näher.
    »Der Bär hat welche von unseren Leuten getötet und hier hat er auch gewütet, nicht wahr? Zwei Leute vom Weidenclan sind ihm zum Opfer gefallen, und wir hörten, dass er eurer Sippe ein Kind geraubt hat.«
    Tiu zuckte zusammen. »Warum sprichst du davon? Wozu soll das gut sein?«
    »Weil es mein Freund war, der seinerzeit den Wald von dem Untier befreit hat.«
    Tiu machte ein ungläubiges Gesicht. »Aber du hast doch gesagt, er ist noch ein Kind …«
    »Nicht nur, das habe ich dir doch eben erklärt. Fin-Kedinn könnte das auch bestätigen, aber er ist leider nicht hier. Ihr kennt doch Fin-Kedinn?«
    Tiu nickte. »Er genießt bei vielen Sippen hohes Ansehen.«
    »Er ist mein Onkel. Er würde sich dafür verbürgen, dass ich die Wahrheit sage.«
    Tiu ließ sie wieder stehen und beriet sich mit seinen Leuten. Renn wartete besorgt und gespannt, aber er kam gleich wieder zurück. »Tut mir Leid. Wir wollen keinen Streit mit den Robben.«
    »Ihr braucht mich nicht bis in ihr Lager zu bringen. Ihr könnt mich einfach irgendwo auf ihrer Insel absetzen, ich finde mich schon zurecht.«
    Kyo tippte Tiu auf die Schulter. »Südwestlich vom Robbenlager gibt es eine kleine Bucht. Dort könnten wir kurz anlegen, ohne dass es jemand merkt.«
    »Von mir könnte sie seefeste Kleidung bekommen«, warf eine Frau ein, »und ich würde es auch übernehmen, sie für die Überfahrt zu reinigen. Sie ist doch noch ein Kind, Tiu, wir dürfen sie nicht ganz allein hier zurücklassen.«
    Tiu seufzte schwer. »Du verlangst sehr viel«, wandte er sich an Renn.
    »Ich weiß.«
    Sie wollte eben weitersprechen, als sie hinter einem Wacholderbusch ein Augenpaar funkeln sah.
    Der Anblick versetzte ihr einen freudigen Stich.
    Aufgeregt drehte sie sich wieder nach Tiu um. »Und ich verlange sogar noch mehr.«
    »Nämlich?«
    »Dass wir noch jemanden mitnehmen.«

    Die Bucht hallte von Gelächter wider.
    Zwar mussten die Seeadler ihr Lager aufgeben und hatten zwei Tote und einen Wahnsinnigen zu beklagen, aber der Anblick eines jungen Wolfes, der vom Kopf bis zu den Pfoten mit Sturmvogelspucke bekleckert war, erheiterte jedermann.
    »Den brauchen wir nicht erst zu reinigen«, rief jemand. »Das hat er schon selber erledigt, wie’s aussieht!«
    Vogelspucke hin oder her, Renn hätte Wolf am liebsten stürmisch umarmt, aber sie begnügte sich dann doch damit, ihn zurückhaltend zu begrüßen und ihm die Flanke zu

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