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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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den Stein. Du gibst mir den Trank, ich bringe ihn in den Wald und…«
    » Ich soll dir den Trank geben?«, wiederholte Tenris, und seine Stimme war mit einem Mal so kalt, als hätte sich die Sonne verdunkelt. »Und weshalb sollte ich das tun?«
    »Weil deine Sippe sonst ebenfalls krank wird«, entgegnete Torak.

    Er berichtete dem Schamanen von dem Schleicher und wie dieser auf die Insel gelangt war. Er erzählte ihm von seiner Vermutung, dass der Schleicher von den Seelenessern geschickt worden war, um die Krankheit zu verbreiten. Tenris unterbrach ihn nicht, schmauchte nur schweigend seine Krebsscherenpfeife. Seine Miene war ausdruckslos, doch Torak spürte, dass er angestrengt nachdachte.
    Besorgt beobachtete er, wie der Schamane um den Altar herumschritt, die letzte Meerknolle herunternahm und zu ihm zurückkehrte.
    »Hast du das Ganze geplant?«, fragte Tenris.
    »Aber nein!«, erwiderte Torak bestürzt.
    »Merk dir eins, Torak, Hinterhältigkeit kann ich nicht leiden.«
    »Aber ich bin nicht hinterhältig! Ich hatte keine Ahnung, dass sich der Schleicher im Boot versteckt hatte, Tenris. Ich bitte dich nur, mir von dem Trank zu geben, weil …«
    »Nur?«, schnitt ihm Tenris das Wort ab. »Es geht hier nicht um irgendein Gebräu, von dem ich dir ein paar Kellen abfülle. Ich musste dafür eigens den Adlerfelsen besteigen und die Selikwurzel pflücken, die nur dort oben wächst. Ich musste eigens in der Mittsommernacht einen Zauber wirken, den seit der Großen Flut niemand mehr angewandt hat!«
    Torak fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Bis Mittsommer sind es nur noch vier Tage.«
    Tenris schüttelte den Kopf. »Du gibst wohl nie auf, was?«
    »Ich darf nicht aufgeben. Die Sippen sind krank.«
    Der Schamane drehte die Meerknolle in den Fingern und funkelte ihn drohend an. »Und wenn ich dich nun einfach auf den Stein schicke und den Trank für mich behalte?«
    Torak öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Diese Möglichkeit war ihm nicht in den Sinn gekommen.
    »Lass dir das eine Lehre sein, Torak«, sagte Tenris gedehnt. »Versuch nie wieder, einen Schamanen zu etwas zu zwingen. Schon gar nicht mich.«
    Torak reckte trotzig das Kinn. »Ich dachte immer, es ist die Aufgabe eines Schamanen, anderen Menschen zu helfen.«
    »Was verstehst du schon von Schamanen. Du bist bloß ein Jäger.«
    »Aber die Raben brauchen dringend deine Hilfe! Und die Otter, die Weiden, die Eber und alle anderen Sippen vermutlich auch! Wenn du mich auf den Stein schickst, wer soll dann den Heiltrank in den Wald bringen?«
    Tenris legte die letzte Meerknolle auf den Boden. »Wenn ich mich überhaupt herablasse, dir von dem Trank zu geben, musst du auch etwas dazu tun.«
    Torak wartete gespannt.
    »Die Meerclans halten die Mittsommerzeremonie jeden Sommer auf einer anderen Insel ab. In diesem Jahr sind die Kormorane an der Reihe. Der größte Teil unserer Sippe fährt morgen ab, der Rest kommt später nach. Bald ist das Lager leer.«
    »Ich will alles tun, was nötig ist«, versicherte Torak.
    Zu seiner Verwunderung erwiderte Tenris lachend: »Nicht so voreilig! Du weißt doch noch gar nicht, worum es geht!«
    »Ich will alles tun, was nötig ist«, wiederholte Torak standhaft.
    Tenris sah auf ihn herunter und über sein entstelltes Gesicht huschte ein mitleidiges Lächeln. »Armer kleiner Torak«, sagte er leise. »Du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt. Du weißt ja nicht einmal, wo du hier eigentlich bist.«
    Torak blickte zu Boden, und da erschloss sich ihm endlich das Muster, das Tenris aus den Steinen gelegt hatte.
    Es war eine riesige Spirale und sie beide standen genau in der Mitte wie Fliegen in einem Spinnennetz.

Kapitel 20

    RENN HATTE DAS ganze Ufer abgesucht, aber nichts deutete daraufhin, welche Richtung Torak eingeschlagen hatte.
    Wolf war seiner Fährte unermüdlich einen Tag und eine Nacht lang durch den dichten Wald gefolgt und zwischendurch immer wieder zu ihr zurückgekommen, damit sie einander nicht verloren.
    Als sie an die Stelle kamen, wo das Breitwasser ins Meer mündete, war sein Eifer in helle Aufregung umgeschlagen. Winselnd war er im Sand auf und ab gelaufen. Dann hatte er den Kopf in den Nacken gelegt und geheult, ein verzweifeltes, jämmerliches Geheul.
    Zweimal waren sie auf die Überreste einer Feuerstelle gestoßen. Auf den Uferfelsen hatte jemand ein großes Feuer entzündet und die Asche überall herumgetreten, weiter unten war eine kleinere Feuerstelle, die eindeutig von

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