Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)
kraulen.
Wolf wedelte matt mit dem Schwanz. Er bot ein Bild des Jammers. Er hatte eine Ladung stinkenden, öligen Speichel mitten ins Gesicht bekommen, und als er sich daraufhin im Sand wälzte, hatte er die Flüssigkeit nur überall in seinem Fell verteilt. Die Sturmvögel hatten ihm eine Lektion fürs ganze Leben erteilt. Nie wieder würde er ihre Jungen behelligen.
»Ich dachte immer, du magst kräftige Gerüche«, zog Renn ihn auf.
Wolf rieb den Kopf an ihrem Wams, aber davon wurde er das lästige Zeug auch nicht los.
Tiu eilte mit einem Bündel unter dem Arm an ihnen vorbei. »Wenn du es schaffst, ihn in mein Kanu zu verfrachten, können wir ihn meinetwegen mitnehmen«, rief er über die Schulter. »Sonst muss er hier bleiben.«
»Ich lasse ihn nicht allein«, widersprach Renn.
»Dann beeil dich. Wir brechen gleich auf!«
»Komm mit, Wolf«, rief Renn und lief zu Tius Kanu.
Wolf rührte sich nicht. Er grub alle vier Pfoten in den Sand und beäugte mit gesträubtem Nackenfell das Boot, das im seichten Wasser schaukelte.
Renn seufzte resigniert.
Um zu verstehen, was Wolf ihr mitteilen wollte, brauchte man seine Sprache nicht zu beherrschen.
Ich gehe da nicht rein. Kommt nicht infrage. Auf gar keinen Fall.
Kapitel 21
WIEDER TRÄUMTE Torak von Wolf, aber diesmal wollte Wolf ihn warnen. Wuff! Wuff! Gefahr! Schatten! Tod!
Was für ein Schatten? Wo? , wollte Torak wissen.
Doch Wolf war schon auf und davon, und Torak konnte nicht hinterher, weil ihn jemand festhielt.
»Lass mich los!«, brüllte er und schlug um sich.
»Wach auf!«, sagte Bale.
»Was?« Torak öffnete die Augen. Er lag in der Robbenhütte und durch die Felle vor dem Eingang fiel Tageslicht herein.
Seit seiner Unterredung mit Tenris auf der Klippe war ein Tag vergangen. Einen ganzen langen Tag hatte er herumgesessen und Daumen gedreht, bis der Robbenschamane den Ältesten endlich überredet hatte, den Gefangenen nicht auf den Stein zu schicken. Mittsommer kam immer näher und im Wald wütete die Krankheit…
»Wer ist Wolf?«, schreckte ihn Bale auf.
»Häh? Niemand. Ich weiß nicht, wovon du redest.«
So leicht ließ sich Bale nicht abwimmeln. »Du bist noch nicht mal richtig wach, schon lügst du wieder«, sagte er verächtlich.
Torak hatte andere Sorgen. Der Traum bedrückte ihn. Schatten. Tod. Was bedeutete das? Wollte Wolf ihn vor dem Schleicher warnen oder ging es um etwas anderes?
Bale versetzte ihm einen Tritt. »Steh auf.«
»Wieso? Rudern wir schon los zum Adlerfelsen?«
»Nein, erst morgen. Heute zeige ich dir, wie man mit einem Hautboot umgeht.«
» Du? Ausgerechnet du?«
»Frag Tenris, der hat sich das ausgedacht.« Aus Bales Tonfall schloss Torak, dass der andere davon genauso wenig begeistert war. »Geh du einen Happen Tagmahl essen, dann komm zum Ufer runter. Ich hole schon mal die Boote.«
»Warum ausgerechnet Bale?«, wandte sich Torak an den Schamanen, der in den Uferfelsen Tang sammelte. »Warum nicht jemand anders?« Ganz gleich, wer, ergänzte er in Gedanken.
Tenris grinste schief. »Ist das etwa der Dank, dass ich dir den Stein erspart habe?«
»Aber ausgerechnet Bale! Der kann …«
»… von uns allen am besten mit einem Hautboot umgehen«, fiel ihm Tenris ins Wort. »Hier, halt mal den Korb und sieh mir zu, da kannst du was lernen.«
»Aber…«
»Das hier ist Riementang.« Tenris bückte sich nach einem langen, ledrigen Stängel. »Getrocknet wird er so hart wie das hier«, er klopfte auf seinen Messerknauf. »Wenn man ihn erst in Süßwasser wäscht und dann mit Robbentran tränkt, kann man Seile daraus herstellen. Hast du aufgepasst, wo ich ihn abgeschnitten habe? Ein Stück über der Haftscheibe, damit er nachwachsen kann, das ist wichtig.«
Als Torak eigensinnig schwieg, unterbrach der Schamane seine Belehrungen. »Du wirst Bale noch brauchen, und Asrif auch«, lenkte er ein. »Asrif ist unser bester Kletterer und Detlan ist ein kräftiger Bursche.«
»Ich soll alle drei mitnehmen?«
»Ohne Hilfe kannst du es nicht schaffen, Torak.«
»Das weiß ich ja, aber ich dachte, du kommst mit. Du hast die Wurzel doch schon gepflückt. Wieso begleitest du mich nicht?« Er mochte Tenris, er erinnerte ihn an Fin-Kedinn, nur dass er freundlicher und nicht so abweisend war.
Seufzend berührte der Robbenschamane sein vernarbtes Gesicht. »Das Feuer hat mich nicht nur äußerlich verbrannt, es hat auch meine Lungen versengt.« Er ließ den Tang in seinen Korb fallen. »Auf dem Adlerfelsen wäre ich
Weitere Kostenlose Bücher