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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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dir keine Hilfe.«
    »Das wusste ich nicht«, sagte Torak verlegen. »Es tut mir Leid.«
    »Mir auch«, erwiderte Tenris nachsichtig. »Aber ich schicke die drei noch aus einem anderen Grund mit. Es sind deine Verwandten, Torak. Ob es dir nun behagt oder nicht, du musst ihr Vertrauen gewinnen.«
    »Darauf lege ich keinen Wert.«
    »Solltest du aber.« Der Schamane blieb freundlich, aber seine Stimme hatte einen strengen Unterton. »Halte dich an Bale. Wenn du ihn für dich einnehmen kannst, hast du die beiden anderen auch auf deiner Seite. Ach ja, und Torak…«, seine Mundwinkel zuckten, »stell dich lieber nicht allzu ungeschickt an.«

    »Nein, nein, nein!«, brüllte Bale und lenkte sein Boot geradezu herausfordernd mühelos neben Toraks. »Ich habe dir gesagt, du musst die Beine gegen die Bootswand stemmen – pass auf, du kippelst, du musst dein Gewicht verlagern – nicht so stark, sonst kenterst du!«
    Er streckte die Hand aus und richtete Toraks Boot wieder auf. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass das Paddel nicht zum Dranfesthalten da ist! Man stützt sich mit Beinen und Hüften ab, nicht mit den Händen. Stell dir vor, du fährst jagen und erlegst eine Robbe. Dann brauchst du beide Hände, um sie an Bord zu ziehen.«
    »Wenn es bloß nicht so schwanken würde!«, murrte Torak. Das schmale Boot hatte so wenig Tiefgang, dass er ständig Gefahr lief herauszufallen. Er kam sich vor wie ein Käfer, der auf einem dünnen Ästchen im Wasser treibt.
    »Dafür kann das Boot nichts, das liegt an dir«, erwiderte Bale.
    »Warum muss das Ding auch so verflixt flach sein?«
    »Wenn es höher wäre, müsstest du viel mehr gegen den Wind anrudern. Versuch’s noch mal. Nicht so! Was habe ich dir gesagt? Das Paddel nicht aufs Wasser schlagen, sondern eintauchen! Du darfst kein Geräusch machen!«
    »Das versuche ich ja die ganze Zeit«, entgegnete Torak mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Dann streng dich eben an«, fauchte Bale. »Habt ihr bei euch im Wald keine Kanus?«
    »Doch«, und Torak dachte sehnsüchtig an die Einbäume der Eber und die soliden Lederboote der Raben. »Aber die sind stabil und geräumig und wir würden nie …«
    »Pah. Stabil und geräumig nützt einem hier auf dem Meer nichts. Ein Boot mit stumpfem Bug macht Blasen und würde die Robben aus fünfzig Harpunenlängen Entfernung aufschrecken. Außerdem würde ein Boot, das nicht schmal und wendig ist, vom erstbesten Brecher zertrümmert. Nein, nein, über die Welle weg, nicht mittendurch! Du musst wie ein Kormoran übers Wasser gleiten …«
    Eine große Welle peitschte gegen den Bug von Toraks Boot und er wurde nass bis auf die Haut.
    Die Kinder am Ufer lachten. Die Kleinsten spielten Boot, indem sie Robbenfellfetzen in kleinen Meerwassertümpeln schwimmen ließen, die Größeren planschten in Anfängerbooten herum. Im Gegensatz zu Torak brauchten sie nicht zu fürchten, dass sie kenterten, denn ihre Kanus wurden von Querstangen, an deren Enden luftgefüllte Beutel aus getrocknetem Robbendarm schwammen, im Gleichgewicht gehalten.
    Als Bale Torak ein Anfängerkanu angeboten hatte, war dieser empört gewesen, doch nach dem anstrengenden Tag geriet er in Versuchung, den Vorschlag zu akzeptieren. Bale war ein unnachgiebiger Lehrmeister, der kein Mitleid mit seinem erschöpften Schüler zeigte. Er hatte sich offenkundig zum Ziel gesetzt, Tenris zu berichten, dass Torak ein hoffnungsloser Fall war.
    Inzwischen schien es, als würde er sein Ziel erreichen. Torak war triefnass und ganz benommen von der Sonne. Beine und Schultern schmerzten unerträglich, die Arme zitterten vor Erschöpfung. Er konnte kaum noch das Paddel halten, vom Gleichgewicht ganz zu schweigen.
    Dass Bale sein eigenes Boot so gekonnt handhabte, machte die Sache auch nicht besser. Mit einem flüchtigen Handgriff änderte der Robbenjunge die Richtung, und wenn er sich hinstellte, stand er so gelassen und ohne zu schwanken da wie auf festem Boden. Das tat er nicht einmal, um mit seinen Fähigkeiten zu protzen, der Umgang mit dem Boot war ihm zur zweiten Natur geworden.
    Wind kam auf, und Torak hatte Mühe, nicht zu kentern. Der ältere Junge lenkte sein Boot neben Toraks, wobei er das eigene Kanu geschickt auf Kurs hielt, indem er ein Paddelende zwischen zwei kreuzweise gespannte Lederriemen schob, sodass er beide Hände frei hatte. »Du musst dir schon ein bisschen Mühe geben«, sagte er tadelnd und machte sich daran, mit einem Eimer das Wasser aus Toraks Boot zu

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