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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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schöpfen.
    »Sonst darf ich nicht mit? Willst du mir das damit sagen?«
    »Mir wär’s recht.«
    »Lass es mich noch eine Weile probieren. Ich übe erst seit heute, und du wahrscheinlich schon, seit du sechs bist.«
    »Fünf.« Bale sah zu den Anfängern im seichten Wasser hinüber und ein Anflug von Kummer huschte über sein Gesicht. »Mein Bruder war sogar noch jünger.«
    »Lass es mich noch ein bisschen probieren.«
    Bale überlegte, dann sagte er: »Fahr mal da lang, ich komme nach. Denk ab jetzt nicht mehr über jeden Paddelschlag nach, sondern beobachte die Wellen und fahr einfach, so schnell du kannst.«
    Torak wendete und paddelte drauflos.
    Anfangs brachte er nur sein übliches Geschlinger zustande. Das Hautboot hüpfte und hoppelte wie ein übermütiger Hase und die Wellen peitschten ihm unsanft ins Gesicht.
    Dann trat eine Veränderung ein. Ohne dass er es selbst recht merkte, schien Torak beim Rudern einen eigenen Rhythmus zu finden. Das Paddel tauchte, ohne zu spritzen, ins Wasser, und Torak spürte bei jedem Schlag, wie ihn das Meer unterstützte, statt ihn wie zuvor zu hemmen. Immer schneller glitt er voran, dann machte das Boot einen jähen Satz und er schoss so flink und frei über die Wellenkämme wie ein Seevogel.
    »Jetzt hab ich’s!«, rief er aus.
    Bale kam längsseits und beobachtete ihn gespannt und ohne eine Miene zu verziehen.
    »Wunderbar!«, schwärmte Torak. »Das macht ja richtig Spaß!«
    Bale nickte bedächtig, aber diesmal musste er sich ein Lächeln verbeißen.
    Eine Bö traf Toraks Boot und drehte es so, dass er geradewegs auf das Boot des Älteren zufuhr.
    »Wenden!«, brüllte Bale. »Du musst gegenrudern! Sonst fährst du in mich rein!«
    Torak stemmte sich gegen den Wind und tauchte das Paddel ein. Es gab einen so heftigen Ruck, dass er beinahe über Bord gegangen wäre, und als er das Paddel wieder herauszog, war das Ruderblatt abgebrochen.
    »Pass doch auf!« , schimpfte Bale, als Torak auf ihn zugesaust kam.
    »Ich kann nicht wenden!«
    Da tauchte Bale sein Paddel ein und schoss im letzten Augenblick davon, während Toraks Boot sich noch einmal drehte und kenterte.
    Toraks Kleidung zog ihn in die Tiefe, und er war heilfroh, als Bale angerudert kam und ihn am Wams packte.
    »Was sollte das denn?«, schrie er. »Um ein Haar wären wir alle beide gekentert!«
    »War keine Absicht!«, prustete Torak.
    »Keine Absicht? Du wolltest mich rammen!« Wutschnaubend drehte er Toraks Boot wieder um und hielt es am Bug fest, als Torak zurück an Bord kletterte.
    »Ich sage doch, es war keine Absicht!«, keuchte Torak. »Mein Paddel ist durchgebrochen.«
    »Unsinn! Unsere Paddel bestehen aus dem zähesten Treibholz, das…«
    »Und was ist das da?« Torak schwenkte das kaputte Ruder. »Wenn das Holz so zäh ist, wieso ist mein Paddel dann zerbrochen wie ein morscher Ast?« Er betrachtete die Bruchstelle und wurde still. Jemand hatte sich mit einem Messer an dem Paddel zu schaffen gemacht. Derjenige hatte das Holz nur halb durchgehackt, damit das Paddel noch zu benutzen war, aber trotzdem jederzeit entzweibrechen konnte.
    »Was ist?«, fragte Bale.
    Toraks erster Gedanke galt dem Schleicher. Aber es konnte genauso gut jemand anders gewesen sein, Bale, Asrif oder Detlan – oder irgendein anderes Sippenmitglied.
    Wortlos streckte er Bale das zerbrochene Paddel hin. Der nahm es ihm aus der Hand, betrachtete es mit geübtem Blick und entdeckte sogleich die Messerspuren. »Du glaubst, dass ich das war, stimmt’s?«
    »Warst du’s etwa nicht?«
    »Nein!«
    »Aber du willst doch, dass ich es nicht schaffe. Hast du vorhin selber gesagt.«
    »Weil du uns bestimmt ein Klotz am Bein bist oder in irgendwelche Schlamassel gerätst, aus denen wir dich wieder rausholen müssen.«
    »Bestimmt nicht«, erwiderte Torak mit gespieltem Selbstbewusstsein. »Wir wollen doch dasselbe, Bale. Ein Mittel gegen die Krankheit.«
    »Und ich soll einfach glauben, dass meine Sippe ebenfalls in Gefahr ist, bloß weil es dir gelungen ist, dich vor dem Stein zu drücken?«, erwiderte Bale mit beißendem Spott.
    Torak sah ihn groß an. »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß ja nicht, was du Tenris oben auf der Klippe alles erzählt hast, aber ich weiß, dass du ein Lügner und Feigling bist, der alles täte, um seine Haut zu retten.« Er warf Torak das kaputte Paddel zu. »Wahrscheinlich unterstellst du mir deswegen solche hinterhältigen Absichten. Weil es so bei euch im Wald zugeht.«

    Torak hatte Bales kränkende

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