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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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gezogen, die Höchststände verschiedener Hochwasser der Vergangenheit anzeigten. In manchen Wänden hatten sich Schimmel und Fäulnis eingenistet, die zumindest seinem und Abu Duns feinem Geruchssinn nicht verborgen blieben, und er mutmaßte, dass es hinter so mancher prachtvollen Fassade nicht besser aussah. Dennoch wusste dieser Teil der Stadt noch immer zu beeindrucken.
    Ein gedämpfter Knall ertönte, gefolgt von einem nicht annähernd so gedämpften Fluch in einer Sprache, die seit fünfhundert Jahren ausgestorben war, zusammen mit allen, die sie gesprochen hatten, und Andrej musste nicht einmal hinsehen, um zu wissen, dass Abu Duns Schädel schon wieder unliebsame Bekanntschaft mit einer der niedrigen Brücken gemacht hatte, die die schmalen Kanäle in scheinbar unendlicher Zahl überspannten. Er sparte sich jeden Kommentar dazu, genau wie den Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Abu Dun darauf beharrte, im Bug der schlanken Gondel zu stehen, statt sich hinzusetzen, wie Corinna und er es getan hatten. Abu Dun war eben Abu Dun, so einfach war das.
    »Es ist jetzt nicht mehr sehr weit«, sagte Corinna in einem mitfühlenden Ton, der die Frage obsolet werden ließ, ob man ihm sein Unbehagen ansah. »Nur noch ein paar Abzweigungen, und wir sind da.«
    Andrej nickte nur, aber Abu Dun knurrte: »Und wo ist dieses da?«
    »Ich muss zuerst noch mit einer Freundin sprechen«, antwortete Corinna. »Aber keine Sorge. Es dauert nicht lange.«
    »Hast du nicht behauptet, du wüsstest, wo der Junge ist?«, erkundigte sich der Nubier misstrauisch und zog hastig den Kopf ein, als er einen Schatten aus den Augenwinkeln gewahrte und die Gondel unter einer weiteren steinernen Brücke hindurchglitt. Als er sich wieder aufrichtete, saß sein Turban ein wenig schräg auf seinem Kopf. Ein entgegenkommender Gondoliere beschwerte sich lautstark bei ihrem Fahrer, da ihre beiden Gefährte gefährlich nahe aneinander vorbeischrammten.
    »Das weiß ich auch«, antwortete Corinna. »Aber man kommt nicht so ohne Weiteres hinein. Ich werde eine ganze Menge Gefallen einfordern müssen, um euch Zutritt zu verschaffen … vor allem dir, schwarzer Mann.«
    »Mir bricht das Herz«, spottete Abu Dun. »Wie können wir diese Großzügigkeit nur wiedergutmachen?«
    »Lass es gut sein, Pirat«, seufzte Andrej. Abu Dun zog eine Grimasse und durchbohrte abwechselnd ihn und Corinna mit Blicken, war aber wenigstens still. Andrej fragte sich, wer von ihnen nun eigentlich übertrieb: Der Nubier mit seiner unverhohlenen Feindseligkeit oder er mit seinem großen Vertrauen zu einem Straßenmädchen, das er gerade einmal ein paar Stunden kannte und das ihn noch dazu bestohlen hatte. So viel Vertrauensseligkeit war sonst gar nicht seine Art.
    Nur um auf andere Gedanken zu kommen, drehte er sich auf der unbequemen Bank zur Seite und betrachtete das bunte Treiben beiderseits des schmalen Kanals. Trotz Abu Duns hartnäckigem Bohren hatte Corinna sich beharrlich geweigert, auch nur eine Andeutung über ihr Ziel zu machen, und Andrej begann allmählich zu verstehen, warum. Nachdem ihr eigenes Quartier zumindest in unangenehmer Nähe der Sacca Fisola lag, hatte er zumindest etwas Besseres erwartet. Zwar waren die Häuser hier größer, die Menschen besser gekleidet (und genährt), und alles wirkte insgesamt sauberer und fröhlicher … aber zugleich auch schmuddeliger – ein passenderes Wort dafür fiel ihm nicht ein. Sie hatten drei Gondoliere angesprochen, bevor sich der erste bereit erklärt hatte, sie zu fahren.
    Was natürlich auch an Abu Duns Anwesenheit liegen mochte – und seinem Gesichtsausdruck, der noch finsterer war als gewohnt.
    Immerhin waren die Wege breit und einigermaßen gepflegt, und das Treiben war hier nicht nur im übertragenen, sondern auch im wortwörtlichen Sinne bunt: Viele Häuser waren mit Fahnen, Blumen oder farbigen Tüchern geschmückt, und aus mehr als einer offen stehenden Tür drang laute Musik. Mancherorts herrschte ein solches Gedränge, dass es ihn wunderte, nicht den einen oder anderen Passanten ins Wasser fallen zu sehen, und auch die Kleidung der meisten Menschen war farbenfroh – selbst die Uniform der Soldaten, von denen es für Andrejs Geschmack vielleicht ein bisschen zu viele gab.
    »Ist es hier immer so?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete Corinna. »Aber im Moment sind alle ein bisschen aufgeregt. Die letzten Vorbereitungen für den Carnevale, wenn du verstehst.«
    Andrej nickte zwar, war aber nicht ganz

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